Einleitung




Kunstpädagogik verstanden als Kunst befindet sich mitunter in einem fruchtbaren Widerspruch zur Institution Schule, sicher gibt es sehr unterschiedliche, aber berechtigte Positionen, wie man diesen Beruf des Kunstpädagogen*in ergreifen kann. Idealistisch aufgefasst, als Künstler*in tätig in der Sozialen Plastik, erfordert es aber von der Lehrkraft bisweilen nicht ganz Künstler*in und nicht ganz Wissenschaftler*in zu sein. Das Besondere der hybriden Berufsprofession selbst bestimmt ihn dazu eine interdisziplinäre Haltung in seine Arbeit zwischen Kunst und Wissenschaft zu integrieren. Die unmittelbare Wechselwirkung zwischen Theorie und Praxis ergibt im Unterrichtsalltag immer wieder eine Überschneidung von Kunst und Wissenschaft. Eine weitere Besonderheit der Kunstpädagogik besteht darin, dass bildhafte Episteme, gerade in der ‚Bilderflut’ der mediatisierten Gesellschaft, besondere Herausforderungen an den Umgang mit Sprache stellen. Sowohl die Sprechhandlung im Unterrichtsraum als auch die Reflexion von künstlerisch produktiven Prozessen in der Gruppendynamik unterschiedlicher pädagogischer Settings stellt manche Anforderungen. Welcher Sprachduktus verweist in angemessener Art auf die subtilen visuellen Erfahrungsräume?
Kann man methodische Ansätze aus der Konzeptkunst oder dokumentarische Kunst in wissenschaftliche Methoden überhaupt inkludieren?  Eine künstlerische Dokumentation von Prozessen in der Kunstpädagogik, aus der Perspektive der Praxisforschung zu entwickeln, bleibt notwendig ein experimentelles Fragment. Fragen nach ästhetischer Bildung zielen auf eine anthropologische und ethische Perspektive menschlicher Existenz insgesamt. Praktische künstlerische Fertigkeiten sind schwer fassbar, weil sie sich nicht nur auf memorierbare Wissensinformationen beziehen.
Das Bild von der Lehrkraft oder Künstler*in und die pädagogische Haltung der Persönlichkeit stehen auf dem Prüfstand. (Buschkühle, C.P. (2017) Künstlerische Bildung, Vier Bilder vom Künstler, S.118-152.) Wie entsteht eine pädagogische Haltung des Lehrenden, die andere Menschen befähigt, sich selbst zu bilden und zu führen? Die Studie richtet sich an Kunstpädagogen*innen, aber auch tätige Künstler*innen im Bereich kultureller Bildung. Sie versucht ein Resümee aus einer Berufsbiografie zu ziehen, um Spuren zu kennzeichnen, die weitere Arbeiten anregen, sie reflektiert so, auf Grundlage des eigenen Selbstbildes (erste Person Perspektive), ein Bild des tätigen Künstlers innerhalb der sozialen Plastik. Erfahrungen in der Kunstpädagogik an verschiedenen Waldorfschulen, Lehrerseminaren und Hochschulen fließen ein in die Vorausannahmen. Im Laufe vieler Jahre wurde Bildmaterial von Schülern anhand von Malerei, Video und Fotografie gesammelt und anhand bestimmter Kategorien dokumentiert. Textzitate von Schülern versuchen nicht Bilder zu erklären, sondern zielen auf eine Rahmung, die durch ein spielerisches Verhältnis von Text zu Bild eine Mehrdeutigkeit ermöglicht. Am besonderen Fall spiegeln sich bisweilen Symptome des Zeitgeschehens.
Schwellenerfahrungen, die gerade durch Krisen zu Lernschritten führen, sind im Kunstunterricht Alltag. Zudem stoßen die Lebensbedingungen des Fachs Kunst, hauptsächlich hier bezogen auf die Oberstufenklassen 12-13 mit den Prüfungsnotwendigkeiten eines Zentralabiturs, in der Schule, bedingt durch die schulischen Rahmenbedingungen, oft an Grenzen. Die Frage nach den Lebenswelten der Jugendlichen stellt sich im Fach Kunst in besonderer Weise, denn in die produktiven Prozesse spielt manches hinein, was in den Lernprozessen der Hauptfächer unbeachtet bleibt. Wenn ein Jugendlicher, der in der Adoleszenz einer Transformation seiner Leiblichkeit ausgesetzt ist, sich beispielsweise produktiv malend und zeichnend mit dem Thema Körperdarstellung beschäftigt, entsteht ein unmittelbarer Bezug zur Frage der Entwicklung seiner eigenen Identität.
Die Entdeckung des Eros, des Begehrens, die Welt der Triebe und Leidenschaften ist eine Welt der Emotionalität und Farbe. Das Pathos dieser „Seelenwelt“ zeugt von schroffen Umbrüchen, Zerstörungsprozessen und bisweilen chaotischen Grenzerfahrungen. Andererseits entsteht, neben der innerlich seelischen Welt, in der Pubertät ebenso ein erweitertes Interesse an der durch Medien vermittelten Welt. Die vorliegende Studie hinterfragt die Grundbedingungen menschlicher Ich Konstitution im Zusammenhang mit künstlerischer Bildung (Buschkühle, C.P., Künstlerische Bildung, Athena, 2017). Auf der Basis der Phänomenologie werden mit Bezug auf die Kunstpädagogik Imagination, Inspiration und Intuition als archetypische Wirksamkeiten untersucht, und wie diese Qualitäten Bildungsprozesse beeinflussen. Imagination, Inspiration und Intuition werden dabei als offene Leitideen bearbeitet, es wird eine bewegliche Annäherung versucht, um ein lebendiges Feld künstlerischen Denkens zu entwickeln. Intuition, Inspiration und Imagination eröffnen, sobald man sich mit ihren Dimensionen beschäftigt, viele Fragen mit Bezug auf Erkenntnis, ebenso aber für die praktische Erfahrung im Umgang mit Kunst. Sie bauen aufeinander auf und durchdringen sich, denn sie wirken in der Lebenswelt der Kunst wie Kräfte in einem lebendigen Organismus zusammen. Die Erforschung dieser Felder erfordert neue Methoden, denn diskursive beschreibende Reflexion stößt hierbei schnell an Grenzen. So fragt die Darstellung immer wieder nach adäquaten Methoden, welche die Kunst als Lebensfeld spiegeln und sich nicht einem reduktionistischen Wissenschaftsbegriff unterwerfen. Die Wirksamkeit von Imagination, Inspiration und Intuition im Alltag des Unterrichts werden gesichtet. Neben den erkenntnisorientierten Werkbetrachtungen zur Kunstgeschichte versuchen die praktischen Übungen im Kunstunterricht Fähigkeiten und Können zu entwickeln, diese aktivieren eher den Willen. Kann man, für Bildungsprozesse relevante, neue Fähigkeiten im Kunstunterricht mit Jugendlichen anhand von Imagination, Inspiration, und Intuition einüben und deren Wirksamkeiten in der Empirie beobachten sowie künstlerisch dokumentieren?