Cluster III Imagination, Inspiration, Intuition

„Ich schreibe, ohne es zu sehen. Ich bin gekommen. Ich wollte Ihnen die Hand küssen. Es ist das erste Mal, das ich im Dunkeln schreibe, ohne zu wissen, ob ich Buchstaben bilde. Überall, wo nichts auf dem Blatt stehet, sollen Sie lesen, dass ich Sie liebe“.


Zitat aus einem Brief Diderots an Sophie Volland. Derrida eröffnet so seinen Essay über Malerei, Zeichnung, Visionen, Blindheit, Selbstportraits, Vaterschaft, Konversionen, Konfessionen und Tränen. In den „Aufzeichnungen eines Blinden“ geht es um das Sehen in der Malerei und Zeichnung und dessen Zusammenhang in einem Sehen jenseits der Sinne: visionäre Einsichten oder Erleuchtungen, die in der Malerei oft als Blendung und Erblinden dargestellt werden. Der Künstler sieht nicht, was er darstellt, so Derridas These, er arbeitet blind aus dem Gedächtnis und für das Gedächtnis.  


     


„Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer (Originaltitel: El sueño de la razón produce monstruos), seltener auch Der Traum der Vernunft gebiert Ungeheuer, ist ein grafisches Werk des spanischen Künstlers Francisco de Goya (1746–1828). Es ist das 43. Bild der insgesamt 80 in der Technik der Aquatinta ausgeführten Radierungen aus Goyas 1799 veröffentlichter Sammlung Los Caprichos (Launen, Einfälle) und gehört zu den bedeutendsten und meist interpretierten grafischen Werken der Kunstgeschichte. Es war ursprünglich als Titelblatt der Sammlung geplant und zeigt Goya schlafend an einer Art Tisch, umgeben von unheimlichen nächtlichen Wesen. https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Schlaf_der_Vernunft_gebiert_Ungeheuer

Einleitung

In diesem Eintrag wird Cluster III -Imagination, Inspiration und Intuition behandelt. Den Schwerpunkt bildet Imagination. Eigens den Begriff der Inspiration im Besonderen zu erkunden, erforderte viel umfangreichere Anstrengungen. Um das weite Feld der Erfahrung mit Inspiration, wenigstens zu streifen, führe ich zu Beginn ein Zitat von Nietzsche an. Jedoch könnte Nietzsches Beschreibung prinzipiell ebenso als eine Erfahrung der Intuition angesehen werden. Dadurch wird deutlich, wie schnell eine Unschärfe und Schwierigkeit in der Festlegung diskursiver Begrifflichkeit entsteht. Diese angereicherten Begriffe erfordern in der Kunsterkenntnis eine neue Denkweise. Gerade dieses Ineinanderwirken von Kraftfeldern wird weiter unten angedeutet. Sicher gibt es Stufen der Intensität und Verbindungen zwischen diesen Feldern, in denen sich noch wenig fassbare Erfahrungsräume für Menschen eröffnen. Eine Reflexion über Intuition mit Bezug auf deren Darstellung in Rudolf Steiners  “Philosophie der Freiheit” kann als Text heruntergeladen werden. Link

Intuition wird hierin in einigen Umrissen angedeutet, um eine gewisse Balance in der Gewichtung von Imagination, Inspiration und Intuition zu erreichen. In Kunst, Wissenschaft und Religion beziehen sich die drei erweiterten Erkenntnisorgane essentiell auf das Freiheitspotenzial des Menschen und sind zutiefst mit ethisch-philosophischen Fragen verbunden. Dabei Orientierung erringen zu wollen, kann ohnehin nur in einem stammelnden Scheitern untergehen. Man müsste hierfür eine dichterische Sprache entwickeln, aber die Einträge im Register wollen nur Spuren andeuten, welche die Praxis der künstlerischen Bildung in Bezug auf das Buch erzeugen. Um das weite Feld einzuschränken richtet sich mein Blick auf Fragen zur ästhetischen Erfahrung für rezeptive und produktive Prozesse der Bildenden Kunst.

Das Wesen der Inspiration ist von niemandem anschaulicher beschrieben worden als von Nietzsche:
»Hat jemand, Ende des neunzehnten Jahrhunderts, einen Begriff davon, was Dichter starker Zeitalter Inspiration nannten? Im anderen Fall will ich's beschreiben. Mit dem geringsten Rest von Aberglauben in sich würde man in der Tat die Vorstellung, bloß Inkarnation, bloß Mundstück, bloß Medium übermächtiger Gewalten zu sein, kaum abzuweisen wissen. Der Begriff Offenbarung in dem Sinn, dass plötzlich, mit unsäglicher Sicherheit und Feinheit, etwas sichtbar, hörbar wird, etwas, das einen im Tiefsten erschüttert und umwirft, beschreibt einfach den Tatbestand. Man hört, man sucht nicht; man nimmt, man fragt nicht, wer da gibt; wie ein Blitz leuchtet ein Gedanke auf, mit Notwendigkeit, in der Form ohne zögern, -ich habe nie eine Wahl gehabt. Eine Entzückung, deren ungeheure Spannung sich mitunter in einen Tränenstrom auflöst, bei der der Schritt unwillkürlich bald stürmt, bald langsam wird; ein vollkommenes Außer-sich-sein mit dem distinktesten Bewusstsein einer Unzahl feiner Schauder und Überrieselungen bis in die Fußzehen; eine Glückstiefe, in der das Schmerzlichste und Düsterste nicht als Gegensatz wirkt, sondern als bedingt, als herausgefordert,  als eine notwendige Farbe  innerhalb eines solchen Lichtüberflusses; ein Instinkt rhythmischer Verhältnisse, der weite Räume von Formen überspannt - die Länge, das Bedürfnis nach einem weitgespannten Rhythmus ist beinahe das Maß für die Gewalt der Inspiration, eine Art Ausgleich gegen deren  Druck und Spannung... Alles geschieht im höchsten Grade unfreiwillig, aber wie in einem Sturme von Freiheitsgefühl, von Unbedingt­ sein, von Macht, von Göttlichkeit ... Die Unfreiwilligkeit des Bildes, des Gleichnisses, ist das Merkwürdigste; man hat keinen Begriff mehr, was Bild, was Gleichnis ist, alles bietet sich als der nächste, der richtigste, der einfachste Ausdruck.«  (Nietzsche;   Aus einem Wahnzettel, 3. Januar 1889, Kröners Taschenbuchausgabe Band 77, S. 275 f.)



Meine Ausführungen zur Imagination gliedern sich in zwei Perspektiven:  eine, welche die Geschichte der Imagination anreißt, was wiederum ein in sich unmögliches Unterfangen darstellt, denn, wenn man die Evolution der Imagination verfolgt, sind die Quellen enorm vielschichtig. Deshalb reicht das Problem der Einbildungskraft bis in das Herz von Erkenntnis und Bewusstsein. Hieraus ergibt sich eine zweite Blickrichtung, welche die sich ereignenden Denkprozesse in der Imagination untersucht. Dazu werden Aspekte in produktiven und rezeptiven Ereignissen der Kunstanschauung fokussiert wie zum Beispiel anhand von Steiners Wandtafelzeichnungen, Werken des südafrikanischen Künstlers William Kentridge oder auch Arbeiten von Paul Klee. Diese sind zwar ebenso historisch verankert, sind hier aber nicht chronologisch verknüpft, so dass ich mich lediglich um eine assoziative Konstellation bemühe. Es handelt sich wie bei der Geschichte der Imagination um Facetten, die den Gegenstand der Betrachtung auffächern. Vielleicht ähnlich den zufällig verstreuten Farbflecken auf einer Leinwand, deren Begrenzungen den Gegenstand etwas umkreisen. Ich suche dabei keinen linear logischen Aufbau, sondern einen unsystematischen Zugang der „Diskontinuität, unbeachtete Ränder“ sowie Asymmetrien und Paradoxien einbezieht. (Siehe Adornos Essay als Form Fußnote 2)
Durch meditative Aufmerksamkeit können Erkenntnisse in Imagination, Inspiration und Intuition vertieft werden. Diese meditative Haltung als ein Verweilen in gesteigerter Aufmerksamkeit kann anhand von Kunstwerken den Vorgang des Imaginierens bewusster erfahren. Meditation zu erforschen ist in den Kulturwissenschaften inzwischen ein legitimes Feld, welches nicht unter dem Label „Esoterik” als unwissenschaftlich marginalisiert werden kann. Der Anthropologe Christoph Wulf umschreibt in seinem Werk „Meditation als Lebens- und Erfahrungsform“ die Fragen rund um Kontemplation in einer interkulturellen Perspektive. In sechs Annäherungen beschreiben die Herausgeber hier Meditation. Meine Vorausannahme wäre demnach, dass tiefere ästhetische Erfahrungen verstärkt durch ein meditatives Bewusstsein erreicht werden können.

Das Nachschaffen der Formen und Farben im Erkenntnisprozess selbst als schöpferischen Vorgang zu begreifen, bildet eine Grundlage ästhetischer Erkenntnis.
In diesem Text vorangestellten Bildern von Goya schläft der Mann ohnmächtig. Seine Imagination visualisiert der Künstler in den Gestalten der Umgebung. Unheimliche Tiere fallen aus der Tiefe des Raumes über den Schlafenden her. Bei der Sepia-Zeichnung links spielen Gesichter, Fetzen der Erinnerung, gebildet aus den amorphen Hell- Dunkel Flecken eine größere Rolle. Aus dem gestaltlosen Chaos brandet ihm im ersten Entwurf eine Welle der Wahngebilde entgegen. Bei der als Radierung ausgeführten zweiten Fassung links tritt unten eine monolithische Text-Tafel mit dem berühmten Titel hinzu. Der Schreibtisch in der Zeichnung wurde durch einen massiven Block ersetzt. Nun schützt sich der Verzweifelte ganz abgewandt ohne Gesicht förmlich vor den zudringlich sich gebärdenden dämonischen Vögeln, die in der Radierung stärker realistisch akzentuiert wurden. Aufgewühlte schraffierende Striche in der Zeichnung erschaffen flüchtige Masken und phantasmagorische dämonische Gebilde an der Grenze zur Unbestimmtheit, während die Dunkelheit der Aquatinta einen leeren nächtlichen Raum inszeniert, in welchem die Fledermäuse sich in der Tiefe sirrender Pixel verlieren. Zwei Variationen des gleichen Motivs ermöglichen einen Einblick in die flüchtige Tätigkeit der Imagination. Ebenso bestimmt in den beiden unterschiedlichen Techniken der Sepia-Zeichnung wie auch der Radierung das Material den emotionalen Ausdruck. Während die Zeichnung mehr eine aufquellende chaotische Traumwelt einfängt, verdichtet sich die Aussage in der Schwärze der Aquatinta zu einer düsteren, existenziellen Verlorenheit des faustisch desillusionierten Menschen. Als ein gescheiterter Held, der von der psychischen Energie seiner Emotionen überwältigt worden ist, markiert er die Depression des modernen Menschen an sich. Einsamkeit und Schwere kennzeichnen das unglückliche Bewusstsein der Romantik, wie es Hegel in seiner Philosophie sprachlich ausdrückt. Die leichten Lasuren der Sepiazeichnung erzeugen verwirrende Hell-Dunkel Effekte, die den Betrachter in die magische Traum- und Zaubersphäre einer Studierstube versetzen. Aus der Finsternis steigt die Fledermaus der Melancholie empor. Während diese als ein Schattenwesen in Dürers Stich „Melancholia“ noch mehr allegorisch schreiend vorüber eilt, vervielfältigt sich das symbolische Untier der Melancholie nun in der Radierung Goyas zu einer unberechenbaren Horde von grotesken Harpyien, die nichts Gutes beabsichtigen, sondern auf den Unschuldigen eindringen. Verzerrte Gesichter gab es auch in der Version der Zeichnung, aber in der Radierung werden die Menschen und Masken alle zu Tieren, wobei sich die Feinde hinterhältig grinsend über den Schlafenden stürzen. Sicher gab es schon in der Renaissance seit Dante Schilderungen und bildliche Darstellungen der Unterwelt, in denen Maler und Zeichner die Schrecken der menschlichen Abgründe visualisierten. Aber in Goyas Welt verschwindet das religiöse Narrativ.



1 Imagination


„Das ist das grosse Wunder-Auge, ohne Ziel und Grund, da alles inne lieget, und ist doch auch ein Nichts; es werde denn im begehrenden Willen zu einem Etwas gemacht, das durch Imagination geschieht [...]. Böhme: Menschwerdung, Darum lieget es gar an der Imagination: was ein Mensch in seine Begierde einlasset, darinn stehet die Bildniß. 

Böhme: Das umgewandte Auge, 2. Teil, 3,  In welche Welt sie [die Seele] sich nun eineignet und ergiebet, von derselben bekommt sie Wesen in ihrer Imagination. Böhme: Sex puncta theosophica, 7, 20.

Mindestens 70 Prozent unserer Aufmerksamkeit wird in der alltäglichen Wahrnehmung durch das Sinnesorgan Auge absorbiert. Wenn wir die Informationen des äußeren Auges in der Meditation dämpfen und unsere Aufmerksamkeit auf die Region zwischen den Augen, auf den Orbi-neofrontalen Kortex richten, kann sich subtil dieser Bereich des Gehirns, welcher früher als das innere geistige Auge bezeichnet wurde, öffnen. Wir imaginieren oder beobachten introspektiv Emotionen, Befindlichkeiten oder innere Stimmen. Olfaktorische und kinästhetische Empfindungen können ebenso scheinbar wahrgenommen werden, obwohl sie physisch nicht vorhanden sind. Solch eine Vergegenwärtigung ist schon eine Betätigung der imaginativen Kraft. Damit verbunden richtet sich das innerleibliche Empfinden auf den Lebenssinn. Gendlin beschreibt dies als „Felt Sense“. Dieser meint zunächst ein Spüren, welches aus dem Leib aufsteigende wahrnehmbare Signale sendet. Hier taucht eine Welt ohne Begriffe auf. Sie besteht nur aus flüchtigen Erfahrungen. Der Blick weitet sich in den unendlich leeren Raum.  Er trifft vielleicht auf einen Punkt, wo die dunkle Materie wirkt als Strahlung von Wärme und Licht. Innerleiblich ertastet dies Auge die intrazelluläre Matrix im Mikrokosmos Mensch, einen raum- und zeitlosen Zwischenraum der Ewigkeit, welcher aus dem Bewusstsein für die reine Aufmerksamkeit besteht. Durch Meditation lausche ich in der Stille auf den inneren Menschen. In der künstlerischen Tätigkeit betätige ich die Kraft der Imagination in der Begegnung und Durchdringung mit den Stoffen Farbe, Form, Stein oder Klang und Sprache in der Lyrik.

Die Frage wie Imagination in praktischer Tätigkeit und theoretischer Reflektion sich im Jugendalter bildet, steht im Hintergrund dieser Untersuchung, weil es sich auch bei diesen Einträgen im Register, um eine Ergänzung handelt, welche, die mehr auf die Praxis bezogenen Ausführungen im Buch, ergänzen möchten.  Es finden sich im Buch lediglich drei Verweise ein allgemeiner auf Imagination S. 114, welche hier im Register zu einer Vertiefung einlädt, dann der Hinweis auf Benjamins dialektisches Bild, welcher durch folgenden Link erschlossen wird und S. 112 und auf den oben schon angedeuteten Lebenssinn auf S. 150, welcher in Cluster II für die Fragen zum Embodiment weiterbearbeitet wird.      


2 Geschichte der Imagination


Herausfordernd erscheint die Komplexität der Einbildungskraft. Wenn man sich wiederholt dem Feld der Imagination nähert, sich in das unendliche Feld der Phantasie hineinbegibt, dann erfordert es die Phantasie selbst als ein Werkzeug zu nutzen. Zumindest wird die sprachliche Form, in der ich mich artikuliere, fragwürdig. Vielleicht benötigt es die Form des Essays im Sinne Adornos.

Begriffsgeschichte.    Durch eine erste lexikalische Orientierung findet man zunächst zu einer Definition. Schon die Recherche zur Etymologie weitet sich ins uferlose der Erfahrung einer Entgrenzung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Imagination  https://de.wikipedia.org/wiki/Inspiration    https://de.wikipedia.org/wiki/Intuition

Imagination (lateinisch imago „Bild“)ist synonym mit Einbildung, Einbildungskraft, Phantasie, bildhaft anschaulichem Vorstellen.[1] Darunter wird die psychische Fähigkeit verstanden, sinnlich nicht gegenwärtige sog. innere Bilder im Geiste zu entwickeln oder sich an solche zu erinnern, sie zu kombinieren und diese mit dem inneren geistigen Auge anschaulich wahrzunehmen. Es fehlt ihnen der Realitätscharakter, d. h. das Wissen um das Vergegenwärtigen von aktuell in der Außenwelt nicht Vorhandenem. [2] Diese Bedeutung ist aus dem poetischen Sprachgebrauch abgeleitet und mit „Phantasiebild“ gleichzusetzen. [3] Über die Fähigkeit der Imagination verfügen manche Menschen problemlos, andere hingegen nur mit großer Anstrengung oder gar mit Hilfe unbewusster Abläufe unter Hypnose. In der Medizin des 18. Jahrhunderts wurde die Imagination systematisch zu Heilzwecken verwendet.[4]   https://de.wikipedia.org/wiki/Imagination



Philosophen erarbeiten in der Reflexion immer wieder die Geschichte der Begriffe. Diese Arbeit spiegelt sehr unterschiedliche Bedeutungen im Laufe der Jahrhunderte. Geschichtlich betrachtet erstaunen die Wandlungen der Imagination. Mein Verstand versucht den Begriff fest zu stellen. Synthetisierende Vernunft umfasst Zusammenhänge einer historischen Genealogie. Die starre Definition verschwimmt wiederum in unscharfe Weite. Manche Vielschichtigkeit der Perspektiven, welche Denker durch die Jahrhunderte erarbeitet haben, erzeugen bisweilen einen chaotischen „Schwindel“. Ein klar konturiertes sicheres Festschreiben scheint bei vertiefter Recherche unmöglich zu sein. Novalis sieht in der Imagination gar den Quellpunkt aller Realität, wie es im Eintrag des Registers zu Cluster I dargestellt worden ist. Spuren einer Orientierung tauchen auf, eine abschließende Eindeutigkeit ist nicht zu erreichen. Vielmehr fordert die Auseinandersetzung eine Art Bereitschaft, sich auf Wachstumsprozesse einzulassen und sich auf ein offenes schwankendes Feld zu wagen. Die Evolution der Imagination korrespondiert mit der Geschichte des Bewusstseins der Menschheit.
Zur Einführung in das Werk Kampers allgemein eignet sich Schönherrs Einordnung seiner Arbeitsleistung, um den geistesgeschichtlichen Hintergrund ab den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Postmoderne zu charakterisieren.[1]Das hier besonders berücksichtigte Kapitel 6, S. 86 des Buches „Zur Geschichte der Einbildungskraft“[2], zeigt die verwirrende Heterogenität der Entwicklungslinien schon im verzweigten Literaturverzeichnis.[3]  Schriften zur Imagination im 21. Jahrhundert zeigen 30 Jahre später weitere Aspekte. Künstlerische Forschung und der unten erwähnte Zusammenhang mit der Performativität setzen hierzu neue Akzente. Dabei soll dies keine Wertung im Sinne linearer Fortschritte sein. Vielmehr stellt dies ein Beispiel für die, kulturgeschichtlich betrachtet, forcierte Dringlichkeit in der Imagination dar, sich wie ein Proteus zu wandeln und dadurch ein zentrales Thema der kulturellen Entwicklungen aufzuzeigen.

Kamper entfaltet Imagination radikal in jahrzehntelanger Bemühung, immer im Bewusstsein seines eigenen Scheiterns und gegen den Strom gängiger Sichtweisen. Er reflektiert die Philosophie der Postmoderne. Diese Zeit gegen Ende des 20. Jahrhundets beschreibt den Abschied von den großen Erzählungen und Ideologien. Das „Posthistoire“ thematisiert das Ende der Geschichte. Hier versagen alle Weltbilder und neue Narrative sind kaum zu greifen. Diese Orientierungslosigkeit wirkt dabei als eine Stimmung der gesamten Kultur. Zentral vertieft er dabei immer wieder eine Auseinandersetzung mit dem, was Bilder heute sind und erzeugen. Heute wird diese Betrachtungsweise Bildwissenschaft genannt. Kamper verweist ebenso auf die besondere Bedeutung der Anthropologie in der Auseinandersetzung mit der Imagination. Seine Studie „Zur Geschichte der Einbildungskraft“ muss im Zusammenhang mit seinen weiteren Forschungen zur Imagination gelesen werden. Es gibt viele auf den Körper bezogene Texte und Ausarbeitungen, in welchen er sein Lebensthema Phantasie konsequent verfolgt. [4]Die Geschichte des Begriffs der Imagination in der Antike kann diese Ausarbeitungen ergänzen. Durch das Lexikon „Ästhetische Grundbegriffe (ÄGB) Historisches Wörterbuch in sieben Bänden“. Hier findet man eine profunde Darstellung des ebenfalls schon verstorbenen Jürgen Schulte Sasse (S. 88). Er führt die Geschichte der Imagination anhand der Antike aus. Wichtig für meinen roten Faden in seiner Darstellung ist die weibliche Konnotation der Imagination, weil sich ein vertiefter anthropologischer Bezug ergibt. Wesentlich für meine Frage wäre Kampers körperbezogene Bestimmung, denn ebenso wie bei Sasse oder Adorno entsteht eine Sicht auf die Somatizität der Imagination, welche das Rätsel der Vitalität des Körpers, aber auch das Rätsel des Lebens hervortreten lässt. Hier ergibt sich die Verbindung zu Cluster II Embodiment. Cluster I führt durch die Fokussierung auf Identität zentral zurück zur Imagination und Imagination wiederum unmittelbar zu Cluster II Embodiment, der leiblichen Grundlage ästhetischer Fragestellungen. Ineinanderwirkend stellen sich die Cluster I-III (Denken- Fühlen -Wollen) als einheitliches Feld dar, welches besonders für ästhetische Bildungsprozesse eine anthropologische Konstante entwirft.

„Denn seit Aristoteles die (phantasia) als einen im Grunde animalischen und von der Vernunft zu kontrollierendem psychischem Vorgang bestimmt hatte, wurde sie über Jahrhunderte hin als ein Hindernis auf dem Wege der kognitiven und moralischen Vervollkommnung des Menschen angesehen. Positiv gesehen hatte sie die Funktion, auf der ontologischen Skala von der formlosen Materialität zur Immaterialität der Transzendenz zwischen Körperlichkeit und Geistigkeit zu vermitteln. Dabei wurde die Übersetzungsfunktion nach oben (von der Körperlichkeit zur Geistigkeit) in der Regel als positiv, nach unten (von der Geistigkeit zur Körperlichkeit) als riskant oder negativ angesehen.“Zitat Kamper  (Dieses Zitat kann ich nicht mehr finden, allerdings findet man den gleichen Gedanken immer wieder bei verschiedenen Autoren etwas anders nuanciert)

Kamper versucht in seiner „Geschichte der Einbildungskraft“[5]neben dem hier hauptsächlich hervorgehobenen Kapitel 6 „Das Elend der Einbildungskraft“ insgesamt durch vier historische „Schachte“ einen multiperspektivischen Blick auf die Geschichte der Imagination zu entwickeln. Die Überschriften der Kapitel lauten: „Die verwegene Moderne“, „Die blendende Aufklärung“, „Die endlose Säkularisation“, „Die entzauberte Wildnis“. Diese Kreuzstruktur dient ihm gleichsam als eine musikalische Gliederung zum Aufbau seines Gedanken-Kunstwerks. So stellt er schon vor 40 Jahren den Anspruch an ästhetische Theoreme, den ästhetischen Erkenntnisprozess selbst zur Kunst zu erheben, gerade weil er theoretische Konstrukte radikal ablehnt.

(Siehe „Unmögliche Gegenwart, Datierte Einleitung, Vom Aufhören der Theorie.“ S.7. Ergänzen kann man der Vollständigkeit halber für die Geschichte der Imagination die etymologische Untersuchung von Wackernagel [6], denn dieser schafft eine gründliche Anbindung an die im Mittelalter von Meister Ekkehard dargestellte religiöse Dimension des Bildes an sich, was Kamper nicht berücksichtigt.)

Das Kapitel sechs in Kampers Studie zur Einbildungskraft beginnt mit einem Zitat von Martin Heidegger aus dem Jahr 1929.[7] In welchem auf die grundsätzliche Verdrängung der Imagination verwiesen wird. Diese von Adorno formulierte These bildet eine der Grundthesen des Autors auf der Folie seiner Kritik an einer eindimensionalen Aufklärung. Die Verdrängung der Einbildungskraft kann laut Kamper in Kants Schriften nachgewiesen werden. Er entnimmt diesen folgeschweren Gedanken einer Studie von Heidegger: “Kant und das Problem der Metaphysik”. Band 3 Klostermann, S. 167. Hieran erläutert er die erkenntnistheoretische Konsequenz, dass die dynamische Seite der Imagination nicht mehr als Grund jeglicher Erkenntnis gilt, sondern lediglich an den Verstand und auf die empirisch objektive Welt bezogen wird und sich nicht mehr auf die Sinnlichkeit subjektiver Erfahrung selbst richtet, weil diese, laut Kant nur niederer Natur sein kann.  So wird die transzendentale Einbildungskraft laut Heidegger heimatlos.

Kamper reiht, vornehmlich aus eurozentrischer Sicht mitteleuropäischer Denker, wie ein Weber Zitat an Zitat und verknüpft dadurch eine Spur dessen, was bislang über Imagination gedacht Worden war.  Von Herder zu Kants transzendentaler Einbildungskraft über Fichte zu Novalis, Schelling und Hegel. (S. 86-105) Eine Lesart der anthropologischen Dimension der Imagination hat im 21. Jahrhundert, wie oben erwähnt, eine neue Nuance erhalten. Descolas, wohl einer der bedeutendsten noch lebenden Anthropologen Frankreichs, entwirft derzeit eine mehr kosmopolitische Sicht auf die Imagination, ausgehend von der Perspektive indigener Völker.[8]„Oh, das Elend der Einbildungskraft“ ist der Titel zum Kompass seiner kurzen Geistesgeschichte der Einbildungskraft. Sie wird von Kamper als eine Geschichte der Verdrängung charakterisiert.  Heideggers Zitat “...die transzendentale Einbildungskraft ist heimatlos“, entwickelt aus seiner Kant-Lektüre, umschreibt die These des Elends. Dies korrespondiert mit dem Zitat von Kleist von der Vertreibung aus dem Paradies. Die Einbildungskraft erscheint als ein Rest, wie eine Erinnerung an das Paradies. Kleist spricht davon, dass der Mensch ein zweites Mal vom Baum der Erkenntnis zu essen habe, um in der Abstraktion selbst die Fantasie wieder zu finden! Kamper orientiert sich wiederholt grundsätzlich an Adornos negativer Dialektik und seiner ästhetischen Theorie. Adorno hatte eingefordert eine Geistesgeschichte der Fantasie zu schreiben. Kamper beruft sich in seinen verschiedenen Veröffentlichungen wiederholt auf diese Forderung Adornos. Die Wurzeln des Problems macht Adorno im 18. Jahrhundert aus. Bei Saint Simon oder d’ Alembert wird die Einbildungskraft noch als Teil der Produktivkräfte gesehen, während er Comte, als Feind der Metaphysik, dafür verantwortlich macht, dass die Einbildungskraft unter einem positivistischen Blickwinkel verdrängt wird. Dies charakterisiert nach Adorno die regressive Haltung der bürgerlichen Gesellschaft. Insofern erzeugt das Problem der heimatlosen Imagination eine gesamtgesellschaftliche Krise.

„Adorno sieht das innerwissenschaftliche Fantasieverbot in Korrespondenz zu einer dem Stillstand nun gesellschaftlichen Dialektik des fortgeschrittenen Kapitalismus. Tabuisierung, Diffamierung, Abtrennung, Instrumentalisierung stehen dabei im Kontext zu realen Abstraktionen der Gesellschaft, gegen die ein Widerstand kaum für möglich gehalten wird, es sei denn um den Preis der Verzweiflung.“ [9]



Hermes (der ältere), mit Flügelhut und Bart besteigt den, von Eros und Psyche gezogenen Wagen. Griechisches Tonrelief aus Lokris. 5. Jahrh. v.Chr.   Hermes besteigt einen schwebenden Wagen, der Gott der Weisheit folgt Psyche auf den Wagen, Eroten erheben den Wagen. Sinnbild einer Flugreise des Denkens.

3 Ineinanderwirken von Imagination, Inspiration und Intuition

Imagination, Inspiration und Intuition wirken in den Künsten auf unterschiedliche Weise. Sie werden von Künstler:innen zudem hochgradig individualisiert und zu Singularitäten verdichtet. Dieses Besondere in spezifischer Materialität erscheinende Kunstwerk fordert eine sinnliche Erkenntnis, auch zu verstehen als ästhetische Erfahrung in einem erweiterten Sinn, welche seit Baumgarten, dem Begründer der Ästhetik, den Forschungsgegenstand umschreibt. Durch die Jahrhunderte stritten sich Kulturwissenschaftler: innen und Theorie schaffende Künstler:innen darum, hier Klarheit zu gewinnen.

Die Differenzen zwischen Reflexionen in der Kunstphilosophie und der Theoriebildung, welche direkt aus dem Schaffensprozess künstlerischer Tätigkeit stammen sind vielfältig. Manche Selbstaussagen der Künstler:innen zum eigenen Schaffensprozess gewähren einen elitären Zugang zum ästhetischen Denken. Ästhetiker, die anhand von Werkbetrachtungen und Entwicklungen in den Kunststilen operieren, beziehen sich darauf. „Kunst/Theorie“[10]eine Publikation auf immerhin 1500 Seiten, präsentiert für das 20. Jahrhundert ein schillerndes Panorama, was alles von Künstler:innen und Theoretiker:innen über Kunst gedacht worden ist. Anfang des 21. Jahrhunderts verwischt die Grenze zwischen Kunstproduktion und Kunsttheorie, (siehe die Reflexionen über Kentridge, Praktical Epistemology)[11]denn die Produktion ästhetischer Theorie legitimiert sich selbst als Kunst des ästhetischen Denkens.[12]Bisweilen hat man den Eindruck, dass es in den wuchernden Diskursen dabei um eine „narzisstische“ Selbstlegitimierung der „Theoretiker:innen“ oder um eine zwanghafte Rechtfertigung der Künstler:innen handelt. Die Kunst der Moderne bleibt bedürftig eines Kommentars, weil die Konzeptualisierung von Kunstwerken in der Postmoderne drastisch zugenommen hat. Aber all diese legitimen Versuche Imagination, Inspiration und Intuition zu deuten, können konkret anschaulicher in der Auseinandersetzung mit den besonderen Phänomenen anhand der Werke belegt werden.

Dennoch steht man vor dem Problem in Kunst wie es Adorno in seinen musiktheoretischen Schriften Formuliert, dass man in der Kunst Dinge tun muss von denen man selber nicht weiß zu was sie sind. Ähnlich führt das Denken über das Verhältnis von Wissenschaft und Kunst zu einer Fülle von Ansätzen, die heute in Publikationen zur Künstlerischen Forschung ein weites Feld aufgespannt haben.[13]

Ich beschränke mich im Anschauen auf Bildwerke, da mein Studium der Malerei durch die praktizierende Tätigkeit den Zugang zu dem sinnlichen Material spezifischer ästhetischer Anschauungen erleichtert. Um einzelne Künste des Raumes von der Architektur über die Plastik zur Malerei hin zu den in der Zeit sich ereignenden Künsten wie Musik, Tanz, und Film oder der Performativität des Theaters jeweils differenziert zu betrachten, benötigt man jeweils eine einen spezifischen sprachlichen Ausdruck und eine besondere Methodik, um angemessene Erkenntnisformen zu praktizieren. Der Begriff der Imagination bekommt in den Künsten unterschiedliche Konnotationen. Imagination als Erkenntnistätigkeit nimmt im Denken selbst eine andere Wendung als im künstlerischen Handeln. In beide Richtungen jedoch erscheint die Imagination durchwoben von Lebensprozessen und Lebensvorgängen wie Wachstum, Ernährung, Absonderung, Wärmung, Atmung, Reproduktion, Erhaltung!  Sie entfaltet eine vitale Komponente, die als körperliche Dimension in den letzten Jahrhunderten als tierisch gebrandmarkt wurde. Besonders Hegel verurteilte sie - weil körperlich verhaftet - als der Vernunft feindlich. (Siehe Kamper, Schulte) Bildhaft imaginativ komplexe Wissensformationen erfordern die Fähigkeit, Lebensprozesse zu erkennen.

Die Fokussierung auf die einzelnen Künste erzeugt unterschiedliche Perspektiven. In der Architektur bringt die Imagination eine räumliche Phantasie hervor, in der Musik eine klangliche Gebärde oder eben in der Malerei eine ungewöhnliche Visualisierung oder die besondere sprachlich poetische Qualität einer Verdichtung, egal ob ich rezipiere oder aktiv in der jeweiligen Kunst produziere. Dazu gesellen sich die meist synästhetisch ineinander spielenden Sinnestätigkeiten, so dass eine multiperspektivische Erfahrung, die bisweilen am Rande des Chaos verläuft eine, liminale Struktur hervorbringt. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt bei meinen Ausführungen deswegen auf Bildwerken. Literarische, musikalische und Darstellende Künste außer in Bezug auf die Performance werden kaum vertieft.

Eine malerische Phantasie kann olfaktorische, klangliche oder geschmackliche Qualitäten hervortreten lassen. Die Durchdringung oder Entgrenzung dieser erfahrungserfüllten Dimensionen im Anschauen eines Kunstwerks oder in der Gestaltung eines Werkes laufen zumeist subtil unter der Oberfläche unseres rationalen alltäglichen, vorstellungshaften Bewusstseins. Dieses bestimmt und trennt Subjekt und Objekt im Gegenstandsbewusstseins. Diese Trennung von Subjekt und Objekt wird im ästhetisch imaginativen Anschauen und Handeln unmerklich verflüssigt. Ich bin durch die Kraft der Empathie versetzt in den Gegenstand oder die Farbe und nicht mehr getrennt von der Welt wie im gewöhnlichen Bewusstsein, die Tiefe der Erfahrung changiert. Eine simultan sich einmischende Wirkung der Inspiration oder der unmittelbaren Intuition als Evidenz, wie sie Nietzsche im unten angebrachten Zitat über Inspiration charakterisiert, ist bei den Menschen immer sehr unterschiedlich ausgeprägt. In diesem komplexen Geschehen, welches sich der introspektiven Beobachtung zu erschließen beginnt, spielt der von Eugene Gendlin dargestellte „Felt sense“ als Organ des leiblichen Spürens für meine Sichtweise eine bedeutende Rolle (Cluster II Emodiment). Das Wissen des Körpers, als ein in der Tiefe wirkendes leibliches Können, steht dem rationalen Wissen entgegen oder ergänzt es vielmehr. Sofern die Vernunft als Imagination den Verstand übersteigt und da heraus erst die Flügel der Phantasie entfaltet, kann der Mensch seine inneren mentalen Fähigkeiten steigern oder entwickeln. Das von vielen Künstlern beschworene innere Auge der Imagination ist vielleicht nicht so irreal und haltlos, wie es zunächst dem in einer auf die äußere Gegenstandswelt bezogenen Betrachter als faktische Empirie erscheint. Zumindest findet in den unten angeführten Darstellungen von Wulf und Hüppauf das Umdenken in den Kulturwissenschaften eine Resonanz.

Der tätig Schaffende reflektiert im Tun selbst immer schon. Keine künstlerische Tätigkeit verläuft ohne begrifflichen Anteil, aber das eigentlich distanziertere reflexive Nachdenken kommt nach dem Schaffen. Der Schaffensprozess selbst wird dann, sofern eine Artikulation der hierin gemachten Erfahrungen dargestellt werden soll, in eine je spezifische Sprache überführt.

Der in Cluster I angeführte Buschkühle versucht in der „Welt als Spiel“ sich im Medium Sprache dem künstlerischen Schaffensprozess reflektierend zu nähern. Er legt dabei die Plastische Theorie von Josef Beuys, Chaos –Bewegung –Form, aber auch den Begriff der Differenz von Adorno zu Grunde. Die auf älteren Kulturtraditionen beruhende Charakterisierung von Beuys wird in seinen Wandtafelzeichnungen bisweilen mit den Begriffen Sulphur (Chaos, Auflösung) Mercurius (Bewegung) und Sal (Form) verbunden. Diese lateinischen Begriffe finden sich in der alchemistischen Literatur, welche die Umwandlung der Stoffe beschreibt. So rückt für ihn der Aspekt der Transformation der Materie in den Fokus bildnerischer und plastischer Tätigkeit. Die formlose Materie verwandelt sich durch die Hände des Künstlers (Alchemisten) in die Form des Werkes.

„Beuys' mehrfach zitiertes Phasenmodell künstlerischer Kreativität als eines plastischen Prozesses zwischen Chaos - Bewegung - Form bringt, wenngleich begrifflich weniger präzise, die Rhythmik künstlerischen Denkens nachvollziehbar zum Ausdruck.
Das wissenschaftliche Phasenmodell bildet sich darin nicht ohne weiteres ab. Man könnte sagen, dass die Aufgaben- bzw. Problemstellung chaotische Anfangszustände auslöst, welche komplexe Bewegungen auf ein Ziel hin, hier das Werk als ausgestaltete Form, veranlassen. Diese Bewegungen lassen sich in gewisser Weise mit dem Phasenmodell der Kreativität unter dem Vorbehalt ihrer Nicht-Linearität strukturieren. Gleichwohl ist die Binnenstruktur dieser Phasen wiederum durch den plastischen Prozess charakterisiert. Die Präparationsphase bewegt sich zwischen ihren Anteilen assoziativer Annäherungen und Sammeln, Ordnen, Strukturieren von Gesichtspunkten zwischen chaotischen und formgebenden Anteilen. 
Die Illuminationsphase mit ihrer zunächst ungerichteten Fülle an mitunter noch eher vorläufigen Ideen und Vorstellungspartikeln kann wohl als eher chaotisch gelten, während Evaluation und Verifikation Bewegungen auf klare Formen hin beschreiben. Aber auch hier ergeben sich bei kritischen Urteilen, Modifikationen und Ausformulierungen wiederum Elemente der Chaotisierung im Sinne von Verunsicherungen, Infragestellungen, Erneuerungen bei der Bewegung auf ein Ergebnis zu.  ( Die Welt als Spiel      Seite 62   Intuition, Inspiration Imagination)“

Wichtig dabei erscheint die hier hervorgehobene Nichtlinearität des Phasenmodells. Das heißt: Zufälle und Verschiebungen innerhalb der drei Phasen sind im Prozess immerfort der Alltag im künstlerischen Prozess, aber auch in gewisser Weise ähnlich bei der Arbeit kreativer wissenschaftlicher Forschung. Tätigkeiten im Umgang mit dem Material erfolgen in einer erhöhten Achtsamkeit. Die Intensivierung der Sinnestätigkeit gegenüber dem Material in einem besonderen Medium übersteigt durch bewusste Fokussierung das gewöhnliche Wahrnehmen. Der künstlerisch Tätige verschmilzt mit dem Material und dem handwerklichen Tun, ohne permanent eine Kontrolle durch den Verstand auszuüben. Distanzierte begriffliche Tätigkeit stört den Fluss des Prozesses. Nimmt man beispielsweise das Medium Malerei, schwimmt man in der Farbe und spürt anhand bestimmter Farbtöne deren Qualitäten von warm bis kalt oder die Stofflichkeit einer Farbsubstanz. Oft erlebt man im Auftrag der Farbe einen bestimmten Widerstand und Schwierigkeiten mit Opazität oder Transparenz. Meine Intentionalität erfasst unterschiedliche Blickweisen, sie schweift zwischen Peripherie und Details des Bildaufbaus hin und her. Formen werden verworfen, neue Zonen entstehen oft ohne Absicht. Sie erregen Aufmerksamkeit so dass ein komplexes Zusammenspiel von Farbklang, Emotion, Kontrollverlust und Möglichkeiten einer imaginativen Vision entstehen. Hier herrscht nicht mehr die körperidentifizierte und kontrollierende Ich- Tätigkeit. Die Hände verselbständigen sich und wissen im Tun unmittelbar wie der nächste Schritt im ereignenden Vorgang sich vollziehen muss. Eine Malerin sagte: „…ich male nicht mit den Augen…“

„Bedeutsam für den Anstoß und die Entfaltung des kreativen Prozesses ist die Konfrontation mit dem Fremden. Diese erst erzeugt die chaotischen Anfangszustände als Verflüssigung der kreativen Potentiale, als Aktivierung der strukturellen Komplexität in der Auseinandersetzung mit Neuem. Hier wird das “strukturelle Driften« aktiviert, welches den körperlich-geistigen Organismus in wahrnehmende, erkennende und gestaltende Bezüge zum Gegenstand versetzt. Beuys beschrieb diese geistigen Vorgänge im künstlerischen Prozess mit den Begriffen der Intuition, der Inspiration und der Imagination. Auch diese können anteilig mit dem Kreativitätsmodell charakterisiert werden, wobei die Differenz zum wissenschaftlichen Ansatz sogleich deutlich wird. „ Buschkühle S. 62

Im Erleben der gesteigerten Sinnestätigkeit öffnet sich die imaginative Sphäre der Qualitäten. Erinnerungen an Erlebnisse werden aktiviert, vielleicht taucht ein Geschmack der Farbe auf, Lebensprozesse erwachen, Wärmung, Atmung, Reproduktion oder Absonderungen von Formpartikeln werden spürbar. Das „strukturelle Driften“ entsteht als ein fluider Zustand von Möglichkeiten. Hierin ertastet der künstlerisch Schaffende inspirativ vielleicht eine bestimmte Konstellation von kalten und warmen Farben, welche in ihrer Polarität ein passendes Verhältnis treffen. Hierin zeigt sich dann eine überraschende neue Fügung von etwas völlig Unerwartetem. Neues kann entstehen, „...das Auftauchen an einem fremden Ort...“ wie es Franz Marc einmal als Maler aus der Tätigkeit heraus beschrieb. Buschkühle beschreibt den Künstlerischen Vorgang anhand des Begriffs der Achtsamkeit bei Beuys.

„Intuition ist für Beuys die künstlerische Weise der » Achtsamkeit«. Sie drückt sich aus in sensiblen Wahrnehmungsvorgängen, die Einfühlung und Denken, Empfinden und Erkennen miteinander verbinden. Aus intuitiver Wahrnehmung und Erkenntnis von Materialien, Gegenständen, Situationen, Menschen erfährt der Künstler Inspirationen, die ihn zu neuen Vorstellungen, zu neuen Bildern, zu Imaginationen veranlassen. Dies geschieht auch und insbesondere im mikrologischen Prozess der Werkgestaltung, in intuitiver Kommunikation mit der entstehenden Form. Intuition findet statt in Phasen der Präparation, der Evaluation und der Verifikation - bei allem Vorbehalt Gegenüber diesen Begriffen im künstlerischen Bereich. Inspiration kennzeichnet die llluminationsphase, spätestens von da an werden die Gestaltungen getragen von Imaginationen, die sich anfänglich aber auch schon in der Präparation und in Latenzphasen einstellen können. S.62

Man kann in Bezug auf das Wirken von Imagination, Inspiration und Intuition von einer Gleichzeitigkeit sprechen. Die unregelmäßige Wirksamkeit der drei Sphären entzieht sich in gewisser Weise begrifflicher Eingrenzung, weil inspirierende Erfahrung, als gesteigertes Alltagsbewusstsein mitunter andere Wahrnehmungsfelder aktiviert.

Die Beschreibung Nietzsches könnte vielleicht ebenso als imaginatives oder intuitives Evidenzerlebnis beschrieben werden. Im künstlerischen Schaffen verändern sich die Wirksamkeiten von Imagination, Inspiration und Intuition oder schillern ineinander. Wenn es anfänglich um eine chaotische Verflüssigung von Veränderungen im Material geht, welche die innere Beweglichkeit imaginativer Kraft entzündet, entsteht zunehmend eine neue Vorstellungsbildung. Es erscheinen tableauartige Formzusammenhänge, die Resonanzen erzeugen, diese schreiten mit einer immer intensiveren Verbindung mit Material und Tätigkeit einher. Ein Einheitsgefühl, ein schöpferischer Kern gerät in Freude, und das Willensfeuer aktiviert eine schöpferische Kraft, in der eine Selbsttätigkeit sich im Gewahrsein erfährt. Buschkühle thematisiert hieran in der Auseinandersetzung mit Adorno die Differenzerfahrung. Die Aktivierung der strukturellen Komplexität des Subjekts spiegelt sich in den gelingenden Erfahrungen.

Glückserfahrungen (Das Wort „Glück“ kommt von mittelniederdeutsch gelucke/lucke (ab 12. Jahrhundert) bzw. mittelhochdeutsch gelücke/lücke. Es bedeutete „Art, wie etwas endet/gut ausgeht“. Glück war demnach der günstige Ausgang eines Ereignisses.

„Kreativität als schöpferische Aktivierung der strukturellen Komplexität des Subjekts bedarf der Differenzerfahrung. Differenz ist das entscheidende Merkmal im kreativen Prozess. Nicht nur hinsichtlich des Ergebnisses, welches neu, anders, eigenständig sein soll. Die Differenz zwischen Gewohnheit und Neuem in der Problemstellung löst allererst das strukturelle Driften, die Bewegung der Fähigkeiten aus. Die Differenz zwischen Bestimmung und Zufall, zwischen Vorgabe und Freiheit, welche durch die Aufgaben- bzw. Problemstellung eröffnet wird, ermöglicht kreatives Denken und Handeln im Spannungsfeld zwischen Orientierung und Erneuerung. Schließlich ist es die Differenz zwischen Absicht und Wirkung, zwischen Idee und Realisierung, zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, die immer wieder kreative Bewegungen veranlasst im Prozess der Transformationsarbeit. Die grundlegende Realität der Differenz ist die evolutionäre Bedingung von Erneuerung. Das Verhältnis von Zufall und Ordnung, von Gesetzmäßigkeit und Abweichung die Unschärfe natürlicher Prozesse ist die Grundlage für Veränderung und Schöpfung auch in der Natur. Künstlerisches Denken als komplexes Denken in Transformationsprozessen, als gestalterisches Denken in Differenzen und Differenzierungen setzt auf menschlicher Ebene diese schöpferische Grundstruktur der Evolution fort. Jenseits des Ernstfalles der Lebenssicherung vermag es dieses spielerisch zu tun, wodurch das Element der Freiheit wie nirgends sonst in Natur und Kultur Realität erfährt. ln dieser Einstimmung und Entfaltung eines fundamentalen natürlichen Grundprinzips mag ein nicht unerheblicher Grund für den Reiz, ja Glück zu suchen sein, die künstlerischen Prozessen innewohnen können. Und es mag eine weitere Spur legen für die Einschätzung der Bedeutsamkeit der Schulung dieses Denkens für eine angemessene Ausbildung der Fähigkeiten einer Persönlichkeit, die unter dem Primat von Wissenserwerb und Erkenntnisgewinn­ und sei dies auch unter Anwendung von Kreativitätsmodellen - nur in eingeschränktem, beschränktem Maße stattfindet.“ S.62-63



4 Performativität und Imagination


Wulf und Zirfas entwickeln in ihrer Studie zur Ikonologie des Performativen[14]ein begriffliches Tableau zum Feld der Imagination entlang der oft synonym verwendeten Aspekte der Einbildungskraft, des Imaginären und der Phantasie. Im Hintergrund wirkt in gewisser Weise der Auftrag von Adorno, dass es sich lohnen würde, eine Geschichte der Phantasie zu schreiben, weil diese noch nicht existiert. Nachdem die Autoren die Aspekte anhand philosophischer Perspektiven quer durch die europäische Kulturgeschichte aufgefächert haben, schreibt Hans Belting als Kenner der Kunstgeschichte über die Performativität des Blicks. Darauf tragen andere Autoren aus Anthropologie, Medien-, Bild-, Kommunikations-, Geschichts-, und Erziehungswissenschaft sowie der Philosophie fachspezifische Untersuchungen bei, die man zwar unter dem Thema subsummieren kann, die aber weniger zum hier verfolgten Kernthema der Imagination direkt beitragen. Schon der Anthropologe Arnold Gehlen verortete die Phantasie zwischen einer urwüchsig leiblichen Sphäre und einer mehr vorstellungsorientierten Einbildungskraft. Über Plato in der Antike zu Locke und Kant in der Aufklärung, hin zu der besonderen Ausprägung des französischen Diskurses über die Phantasie bei Sartres, Lacan und Merleau-Ponty formulieren sie Gedanken entlang der Einbildungskraft für deren Entwicklungsgeschichte. Durch diese Zusammenschau versuchen die Autoren Grundlagen einer performativen Bildtheorie zu entwickeln. Die Synopse der bisher in der europäischen Tradition entstandenen Thesen vermitteln ein Empfinden für den Ursprung von Performativität (Imagination). Die performative Kraft, welche eine Vermittlung vollzieht, wird von Wulf und Hüppauf mit der Phantasie, der Imagination oder der Einbildungskraft oft synonym verwendet.

Dieses Werk zu den Grundlagen der Wirksamkeit der Einbildungskraft ergänzen die Autoren durch den Band zur Tagung 2005 „Bild und Einbildungskraft“. [15]

Ein rein wissenschaftlich neurologischer Bildbegriff wird hier von Wulf und Hüppauf abgelehnt. Es sind in der gesamten Studie wiederum Facetten zur Einbildungskraft anhand eines anthropologisch- phänomenologisch ausgerichteten Rahmens der Bildforschung versammelt, was auf die Bemühungen vieler Autoren im Feld der Bildwissenschaft verweist, welche sich derzeit um eine Grundlagenforschung zum Bild bemühen. Die Autoren umschreiben, wie die geschichtliche Entwicklung der Neuzeit Europas, das Ende der Transzendenz und Metaphysik einher gehen mit einer zunehmenden Priorität wissenschaftlicher Forschung, die mit der technisch wirtschaftlichen Entwicklung bis in die Gegenwart hinein zur bestimmenden Kraft auch für gesellschaftliche Entwicklungen geworden ist. Die Einbildungskraft steht besonders durch die subjektorientierte Perspektive der romantischen Philosophie hierzu in einem Widerspruch. Die innerweltliche Perspektive der Einbildungskraft steht im Kontrast zu den aus empirischer Forschung gewonnenen Erkenntnissen. Die Introspektion als Beobachtung der Reflexion tritt zugunsten sensuell empirischer Methoden der Forschung als ungesicherte Subjektivität in den Hintergrund. Husserl erhebt die Introspektion allerdings zur eigentlichen Methode der Philosophie. Die Genealogie der Einbildungskraft als werdende Freiheit des Subjekts leitet sich aus dem deutschen Idealismus her. Insofern berühren die aufgeworfenen Fragen die Selbstbestimmung und die Bildung des Subjekts (Kapitel Identitätsphilosophie, siehe Novalis). Die Autoren fordern, innerhalb der Rede über die Wiederkehr der Bilder, neben der Betonung der verwissenschaftlichten, oft rein materiell neurologisch gedachten Bildtheorien, eine Besinnung auf die Basis, die in der Theorie der Einbildungskraft angelegt ist. Die Aufsätze der verschiedenen Mitautoren versuchen Perspektiven der Historizität, Kulturalität und Subjektivität in die Bildtheorie zu integrieren. Die Reflexion der Einbildungskraft als phänomenologische Methodik der Introspektion wird einem einseitigen, neurobiologischen Bildverständnis entgegengestellt. Der durch neurologische Erkenntnisse entstandene radikale Umbruch in der Entwicklung wird mit der Notwendigkeit der sinnvollen Interpretation der Datenmengen auf den Gebrauch der Einbildungskraft zurückgeführt. Der Umbruch wiederum ist durch die Digitalisierung der Bilder besonders für die neurologisch orientierten Bildtheorien ausschlaggebend. Die Digitalisierung der Bilder hat die Sehgewohnheiten auch gegenüber Werken der Kunst grundlegend verändert[16]. Deshalb erscheint eine Neubestimmung der Einbildungskraft für einen sensibilisierten Umgang mit der Fülle digitaler Bilder sinnvoll. Besonders die näheren Bestimmungen mentaler Bilder sind zu wenig berücksichtigt worden. „Das Verhältnis von Wahrnehmen und Einbilden ist in der philosophischen Tradition weitgehend ungeklärt geblieben“, wobei hier gerade Husserls phänomenologische Untersuchungen durchaus relevante Untersuchungsaspekte beisteuern könnten (Siehe Husserl). Die Autoren befragen die ungeklärte Nähe zwischen Bild und Einbildung ebenso wie den synonymen Gebrauch der Worte Phantasie, Einbildungskraft und Imagination. In der Einbildungskraft überschneiden sich zwei Tätigkeiten: einerseits, leiblich verstanden, prägen sich Wahrnehmungsbilder in die Sinnesorganisation passiv ein (respicere = aufnehmen). Andererseits werden sie aktiv hervorgerufen und produktiv erst durch den Betrachter erzeugt. Diese zwiefache Funktion verursacht Verständnisschwierigkeiten. Das Statische reproduzierender Vorstellungsbilder und das auf die Zukunft Gerichtete flüchtiger, aktiv erzeugter Bilder hat Kant als rezeptiven und produktiven Aspekt unterschieden. Die Flüchtigkeit innerer Bilder kann nach Kant nicht intersubjektiv kontrolliert werden und entzieht sich außerdem einer eindeutigen sprachlichen Beschreibung. Kunst scheint so zudem, nach Kant, ein unsicheres Terrain für eine gesicherte rationale Erkenntnismethode, denn Kunst führt aus dem Fassbaren ins Unfassbare. Die Paradoxie zwischen gesichertem wissenschaftlichem Erkenntnisanspruch und offenen ästhetischen Urteilsprozessen, die durch Kunstanschauung im Augenblick der Betrachtung als innerlich subjektive Ereignisse gebildet werden, ist schwer aufzulösen. Das Besondere des jeweiligen Werks steht zudem der Verallgemeinerung wissenschaftlicher Gesetze entgegen. Das Wesen der Kunst, welches sich in dem Widerstand einer konkreten Materialität verkörpert, entzieht sich je weiter man in die Moderne kommt, den letztendlich festlegenden Bedeutungen der Begriffe.
So manche philosophischen, phänomenologischen und anthropologischen Theorien der aktuellen Bildwissenschaft setzen in der ästhetischen Theorie der Gegenwart auf diese bildhaften Bewusstseinsvorgänge einen Schwerpunkt für ihre Forschungsperspektive. Die Imaginationsfähigkeit ist subjektiver Natur.  Dennoch verbürgt sie durch Reflexion die Möglichkeit auf das Unsagbare zu verweisen. Diese Formen der Reflexion nähern sich selbst einer Gedanken-Kunst und zeigen imaginative Aspekte.
Das produktive Vermögen als Möglichkeit wurde innerhalb der romantischen und klassischen Ästhetik zur Fähigkeit des Menschen erhoben, sich seiner frei schweifenden Einbildungskraft als einer sich emanzipierenden oder erhöhten Vernunft zu bedienen. Während die romantische Verklärung der Phantasie ein absolutes Element der Freiheit postulierte, entwickelte Schiller in seinen ästhetischen Briefen anhand des Spieltriebs eine klassisch gemäßigte Sicht. Hier sind die Polaritäten des Stoff- und Formtriebs auf einer höheren Stufe der Freiheit versöhnt. Die idealistische Selbstbestimmung des Subjektes wurde ausgehend von Kant dabei zur Kunstreligion verklärt. Das humanistische Bildungsideal der Renaissance findet durch die Fähigkeit zur geistigen Produktivität seine Erfüllung im allseitig gebildeten und unabhängigen Individuum der Aufklärung.
Die gewöhnliche Einbildungskraft, die uns die bildhaften Vorstellungen von anwesenden und abwesenden Dingen innerhalb des alltäglichen Lebens liefert, ist zu unterscheiden von höheren Formen der Imagination, welche erst durch die bewusste Verstärkung der introspektiven Phantasietätigkeit neue Formen der Wirklichkeit erschließt. Diese seelischen Beobachtungen der Imagination werden von Steiner phänomenologisch als Ausprägung höherer Sinnesorgane untersucht.
Dichterische und bildnerische Erzeugnisse gewähren parallel dazu einen Einblick in die Werkstatt des Geistes und damit in den „Status Nascendi“, die „Natura Naturans“, die schöpferische Kraft geistiger Tätigkeit. „Methodische Imagination“ eröffnet die Möglichkeit, Bildereignisse in der ästhetischen Erfahrung bewusst zu beobachten.



5 Imagination anhand einer Wandtafelzeichnung





Imagination, Inspiration und Intuition sind von Steiner als höhere Erkenntniswerkzeuge konzipiert worden. Seit der Ausstellung „Richtkräfte“ 1999 in Zürich werden die Wandtafel-Zeichnungen Steiners international in großen Museen der Welt gezeigt. Auf der 55. Biennale 2013 in Venedig ebenso wie auf einer Ausstellung in der National Gallery of Victoria in Melbourne 2007. Neben vielen anderen Ausstellungen von Japan bis Amerika thematisierte die Schau in Melbourne einen Vergleich von Joseph Beuys zu Rudolf Steiner anhand der Tafelzeichnungen. Die Begriffe Imagination, Inspiration und Intuition zieren den Titel des Katalogs. Die Rezeption dieser Denkbilder, die man heute in den Kulturwissenschaften im Diskurs der Diagrammatik verorten könnte, wurde eingeleitet durch Johannes Stüttgen und Walter Dahn, die einige dieser visuellen Strukturen in die Galerie Monika Sprüht in Köln transferierten. Die Arbeiten trafen den Nerv eines bestimmten Zeitgeistes und erregten weltweit großes Interesse.

Die Diagrammatik als ein hybrides Medium thematisiert die Visualisierung von Denkprozessen als geistige Tätigkeit im Kontext der Performativität. Steiner begleitete seinen Sprechakt während des Vortrags mit Farben und Formbewegungen, welche die Anschaulichkeit imaginativer Gedanken spiegeln. Die Bewegungen des Denkvorgangs und Wissensvermittlung finden sich in den Skizzen Steiners. Es sind archaische Beispiele des Denkens als Kunst. Eine Vorausannahme wäre, dass die Visualisierung von Erkenntnisprozessen imaginatives Denken anregt.

„Richtkräfte für das 21. Jahrhundert in Zürich. „Zu hören ist immer wieder: Das 21. Jahhundert wird ein spirituelles Jahrhundert sein, oder die Welt geht zugrunde. In der Züricher Kunsthalle wurde - möglicherweise aus diesem Grund - eine Ausstellung erfunden mit dem Titel "Richtkräfte für das 21. Jahrhundert". Mit Bildern und Installationen von Rudolf Steiner, Andrej Belyi, Joseph Beuys und Emma Kunz. Ein Aspekt, nicht mehr ganz neu, weist sofort in die Zukunft. Die Skizzen auf schwarzen Tafeln, die Steiner "gemalt" hat, um in Vorträgen seine Ideen zu illustrieren, waren nicht als Ausdruck von Kunst gedacht. Ebenso die ausgependelten Bilder von Emma Kunz. Beide Ausdrucksformen gelten jedoch heute als Kunst, sind auch Kunst, weil sie, neu definiert, anders wahrgenommen werden als zur Zeit ihres Entstehens. Was heißt spirituell? Am Eingang zur Züricher Ausstellung sind Bilder von Kasimir Malewitsch, Wassily Kandinsky und Piet Mondrian, je eines dieser Klassiker des 20. Jahrhunderts, platziert. Alle drei sind abstrakt gemalt: Mondrians "Komposition I", Kandinskys "Schwarzer Fleck" und Malewitschs "Suprematistisches Bild". Was steckt im Bild? Was steckt hinter dem Bild? Die Auflösung des Materiellen im Geistigen? Es geht um das "Geistige in der Kunst". Kandinsky, der das gleichnamige Buch geschrieben hat, hat keinen Zweifel gelassen, in welche Richtung die Kunst der Zukunft weiterwandern müsse: In eine Zukunft des Geistes, der Spiritualität). Rudolf Steiner forderte eine solche Differenziertheit auf allen Ebenen des menschlichen Ausdruckvermögens, für das konkrete soziale Engagement ebenso wie für die Fähigkeit zum abstrakten Sich-einlassen auf die Dinge. Kunst und Wissenschaft sind eine Einheit. Und nur über diese Einheit, kommt man zur Erkenntnis der Kunst und zur Wahrheit in der Wissenschaft. Steiner will keinen Separatismus von Denken und Fühlen. Alles beruhe auf dem Prinzip der Wechselwirkung. Joseph Beuys ist ein Schüler Steiners. Auch er hat Tafeln beschriftet, sie aber nicht immer an die Wand gehängt, wie die Steiner-Nachfolger, sondern sie auf eine Ebene gestreut. Er nennt das auch in Zürich gezeigte, überaus bekannte Kunstwerk "Richtkräfte einer neuen Gesellschaft".   Josef Singldinger

"Bei gewöhnlichem Denken blickt man lediglich bis zum Spiegel seines Inneren, also da hin, wo sich die Dinge der Außenwelt im Inneren spiegeln. Beim imaginativen Denken blickt man hinter den Spiegel. Dort finden wir nicht dasselbe wie in der äußeren Natur; Hier ist das tote Denken (rechts), auch das abstrakte Denken genannt, und dort (links) haben wir das lebendige Denken. Und im lebendigen Denken sind Gedanken selbst Kräfte." Rudolf Steiner, GA 84, Dornach, S. 83[17]

"Hat Rudolf Steiner diese Dinge geträumt? Hat er sie geträumt, wie sie einmal, zu Anfang aller Zeiten, geschehen sind?     Jorge Luis Borges                                  






Denkvorgänge, die das Lebendige hinter dem Spiegel suchen, lassen sich mit dem Diskurs der Performativität, welcher dynamische Wissenshorizonte thematisiert, in Verbindung bringen.  Der sogenannte Performative Turn spiegelt in vielfältiger Weise eine Transformation hin zu einer Suche nach prozessualen Denkprozessen, die der kunstnahen Denkweise Steiners verwandt sind. Steiner entwickelte Anfang des 20. Jahrhunderts erweiterte wissenschaftliche Erkenntnisansätze, die bisher in den traditionellen wissenschaftlichen Diskursen neben den pädagogischen, therapeutisch medizinischen oder landwirtschaftlich ökologischen Praxisfeldern eher auf dem Felde der Kunst rezipiert wurden, beispielsweise in den Wandtafelzeichnungen, die während seiner vortragenden Tätigkeit als imaginative Denkbilder entstanden. Sie wurden weltweit als poetische Zeugnisse einer ganzheitlichen Weltsicht, als Orientierung stiftende Werke wissenschaftlich-künstlerischer Imagination gewürdigt. Steiner begleitete seinen Sprechakt in den bis 1925 gehaltenen Vorträgen mit Farb- und Formbewegungen, welche die Anschaulichkeit der Gedanken spiegeln. Diese Tafeln zeigen die Konstellation von dynamischen Denkvorgängen als performativ-künstlerischen Prozess.

Es entstehen durch diese neuen Perspektiven, Passagen in eine Zwischenwelt, in welcher dem Bildhaften angemessene Erkenntnisformen aufscheinen können. Eine Kunst-Erkenntnis, die auch affektive Aspekte einbezieht, zeigt Polysemie und offene, fluide Gedankenformen, die auf qualitative Prozesse verweisen. Oft entdeckt man im Umgang mit Kunst Widersprüche und Unbestimmtheiten, die rätselhaft wirken und in Worten schwer fassbar sind. Begegnungen mit Gegenwartskunst ereignen sich bisweilen situativ, unvorhersehbar. Sie ergeben neue und unbemerkte Blickrichtungen, selbst wenn man den Werken schon oft begegnet ist. Starre Denkvorgänge, welche sich einseitig an Definitionen und rationalen Begriffen ausrichten, verflüssigen sich hin zu bildschaffenden imaginativen Qualitäten. Beuys nannte dies die Plastizität im Erkenntnisprozess. In den Wandtafelzeichnungen finden sich bei Steiner und Beuys unterschiedlichste Erkenntniserfahrungen, die auf imaginative, inspirative und intuitive Qualitäten verweisen. Beuys zeigte in seinem Schaffen, wie er Forschungsergebnisse Steiners, die aus Imagination, Inspiration und Intuition hervortreten können, individualisiert verarbeitet hat.

Steiner entwirft schon 1918 eine die Lebenswelt des Menschen umfassende Erkenntnisart. Er zeigt eine differenzierte Anschauung für den Leib des Menschen anhand des Bildbegriffs. Sein Erfassen von Bewusstseinsphänomenen im Umgang mit Bildern kann im Kontext der heutigen Forschung zur Performativität eine produktive Arbeitsthese darstellen. Die Fruchtbarkeit dieser besonderen Art der Phänomenologie ergibt sich für die Wirklichkeit des Bildes, aber auch im Besonderen für praktische Bildungsprozesse im Feld der Kunstpädagogik.

Meine Arbeit versteht sich als ein Beitrag zur Ästhetik, in welchem die Frage behandelt wird, welche Erkenntnisweisen dem Lebensfeld Bild angemessen sein können. Der tiefere Umgang mit dem Thema „Was ist ein Bild“ spiegelt Bewusstseinsprozesse, die sich gerade im ästhetischen Anschauen zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem bewegen. Diese Phänomene des Bild-Bewusstseins werden hier durch die Perspektive von den erweiterten Erkenntniswerkzeugen, die Steiner als Imagination, Inspiration und Intuition umschreibt, betrachtet. Diese Werkzeuge, welche zunächst sehr philosophisch kompliziert erscheinen, sollen bei meinen Untersuchungen praxistauglich konkret auf pädagogische Alltagswelten bezogen werden. Ziel meiner Arbeit ist es, die phänomenologischen Erkenntnisansätze Steiners zu Imagination, Inspiration und Intuition auf dem Hintergrund der aktuellen phänomenologischen Bildforschung herauszuarbeiten und mit Bezug auf die Praxisforschung auf die Kunstpädagogik zu beziehen. Die von Steiner dargestellten erweiterten Erkenntnismethoden durch Imagination, Inspiration und Intuition zeigen für die Fragen zur Performativität der Bildwissenschaft ein noch wenig berücksichtigtes Potenzial. Besonders die anthropologische Dimension der von Steiner dargestellten Bildnatur des Menschen könnte aktuelle Diskurse der Bildforschung zur Performativität und zum Begriff des Leibes ergänzen.

Der in den Kapiteln dann explizierte Begriff der Performativität scheint mir in seiner Elastizität eine Möglichkeit zu bieten, Steiners Forschungen zum Bild mit der aktuellen Bildwissenschaft in ein Gespräch zu bringen. Denn durch das Bild offenbaren sich Tiefenschichten. Das Anschauen eines Bildes erschöpft sich nicht im Betrachten von Farbmaterie und äußeren Formen. Das Objekt Bild in Form von Materie und Farbe weist auf etwas Unsichtbares.

Im Anschluss an Goethes Erkenntnisart entwickelte Steiner in seiner Erkenntnistheorie für jedes Naturreich eine spezifische Erkenntnismethodik. Schon die anorganische Welt und die Betrachtung der Pflanzenwelt brauchen zu ihrer spezifischen Erkenntnis unterschiedliche, dem Gegenstand gemäße Blickrichtungen. Das Lebendige der Pflanzenwelt erfordert zur Durchdringung der Gesetzmäßigkeiten des Lebendigen ein innerlich beweglicheres vorstellen, wie es in der künstlerischen Betrachtungsart Goethes vorgezeichnet worden ist. Die wissenschaftliche Betrachtung überträgt oft rein rationale Untersuchungsmethoden der anorganischen Materie auf die Erkenntnis des menschlichen Wesens. Diese reduktionistische Form der Erkenntnis versucht Steiner zu ergänzen. Die differenzierte Auffächerung der Leiblichkeit sowie die durch Imagination, Inspiration und Intuition vertiefte Wahrnehmungstheorie sind unter der Perspektive der Performativität vielfältig anschlussfähig an den Leibdiskurs.


6 Imagination in der Kunstanschauung (Bildwissenschaft)                                                                      

Ein Aspekt des Zusammenhanges zwischen Performativität und Imagination liegt in der Kategorie der Zeit. Kulturhistorisch betrachtet, äußert sich in den unterschiedlichen Forschungen zur Bildwissenschaft vor und nach der Jahrtausendwende verstärkt die Frage nach der Sphäre der Imagination als erweiterter Erkenntniskraft. Statische Begriffsdefinitionen bilden sich in der Wissensgesellschaft zunehmend um, hin zu dynamischen Erkenntnisansätzen[18]. Es gab in der Philosophiegeschichte der Moderne seit Nietzsche viele Ansätze zum Fragment, zur Prozessualität oder der Poetisierung des Denkens. Das Denken in Bildern oder essayistische Denk-Bilder thematisieren im Besonderen die Komplexität der Wissensformationen durch die Reflexion der Kategorie der Zeit.[19]

Sowohl der rätselhafte Begriff vom Ereignis aus der Philosophie Heideggers sowie die von Gottfried Böhm geprägte „Ikonische Differenz“[20]spiegeln die bewusste Reflexion des Erkenntnisvorganges selbst. Sie hinterfragen im Umgang mit Kunst das rein an den Verstand gebundene, referentielle Denken und versuchen, Erkenntnisgrenzen zu verflüssigen. Viele Diskurse, besonders in der Ästhetik, verweisen wiederholt auf die Philosophie Heideggers. Seine Rede vom Ereignis mit Bezug auf die Zeit[21]charakterisiert in gewisser Weise einen Ursprung des Begriffs der Performativität. Die Bilderflut gegenwärtiger Event-Kultur, verstanden als Fragmentierung und flüchtige Schockwirkung, steht in einem starken Kontrast zu der Fähigkeit des menschlichen Bewusstseins, Bilder kontemplativ bei ihrer Entstehung zu beobachten. Der Diskurs zum Ende der Kunst oder Texte zur philosophischen Ästhetik dominieren meist die direkte Anschauung und reale Präsenz der Kunst in der Auseinandersetzung mit dem Material. Krisen sind für die Kunst heute wichtige Widerstände in ihrer Evolution. Die faszinierenden Phänomene medialer Bildmaschinen entwickeln eine Parallelwelt, durch die sich ein bewusster und vertiefter Umgang mit Bildwirkungen entfalten kann, insofern der Betrachter eine Reflexion über die Qualität unterschiedlicher Bildwirklichkeiten zu entfalten vermag. Die Zeitlichkeit des Mediums Film findet, wie Deleuze es in seinen Schriften zum Kino reflektiert in der Dynamik des Denkens eine Analogie.  Beispielsweise inszenieren Camerons Avatar oder aber auch der Gebrauch von VR- Brillen in der Spieleindustrie starke Immersionen. Eine komplexe virtuelle Realität, welche einer stillen Wirklichkeit mentaler Bilder gegenübersteht. Die Gewalt der Kulturindustrie, die durch kollektive Bildwelten von Hollywood über China bis Bollywood im Medium Film den Mainstream der Bewusstseinsinhalte prägen, verdrängt zumeist den Blick für geistige Aspekte der Bildforschung. Das Unsichtbare mentaler Bildstrukturen, die seelisch-geistig aktiv vom Menschen erzeugt werden müssen, sind in animierten Bildwelten technisch perfekt visualisiert vorgegeben. Das Imaginäre technisch erzeugter Bildwelten und der Freiraum des Menschen, innere Bilder selbsttätig zu gestalten, erzeugen ein Spannungsverhältnis zwischen einer veränderten Wahrnehmung und der Erkenntnistätigkeit. Die Performativität imaginativer Tätigkeit wird so zu einer Herausforderung für das Verständnis von Wirklichkeit.

Meine etwas polemische Kritik an der Kulturindustrie im Sinne Adornos erfordert gewiss eine weit sorgfältigere Darstellung der Bilderfindungen mit Bezug auf die weite Zeiträume umfassende Kulturgeschichte bis hin zu den bewegten Bildern. Es handelt sich um keine persönliche Abneigung gegenüber der Verfilmung bestimmter Bücher, sondern lediglich um eine Erinnerung an die Möglichkeit einer subtileren Form der individuellen Kraft persönlicher Imagination. Meist wird das kollektive Bildbewusstsein heute durch massenmediale Bildwelten von Harry Potter bis zum Herrn der Ringe bestimmt. Hierin wimmelt es von archaisch religiösen Symbolen, technisch erzeugten Imaginationen und Schwellenerfahrungen. Diese speisen sich zwar aus den Wurzeln der Kulturgeschichte, verbleiben oft in einer populären Verzerrung zur Unterhaltung innerhalb der „Kulturindustrie“ weil sie durch ihre überbordende Präsenz paradoxerweise an bildender Kraft verlieren. Es bleibt eine fiktive Schwellenerfahrung, die getrennt vom eigenen Leben als Parallelwelt lediglich konsumiert wird. Diese Dissoziation schafft zwar eine vordergründige Befriedigung, allerdings bleibt im Schatten dieser lauten Inszenierung ein Vakuum bestehen, weil sich das persönliche Leben kaum ändert. Denn, aus eigener Kraft erschaffene, individuelle Fähigkeiten zu imaginativer Tätigkeit erfordern ein geduldiges üben in mentalen Fähigkeiten anhand meditativer Tätigkeit. Diese Arbeit zu stiller innerer Arbeit wird durch den Besuch des Kinos wie ersetzt. Man sitzt still in einem dunklen Raum, in einer Höhle der Bilder und ist zu Passivität verurteilt, weil fremde Bildwelten das eigene Bewusstsein erfüllen. Filmkunst kann sicherlich ebenso Imaginative Tätigkeit anregen, aber unzählige Produktionen überschwemmen heute das Bewusstsein mit unzähligen Bildwelten, die nicht unbedingt hochwertige Bildungsprozesse anregen.

Das Symbol vermittelt geistige und sinnlich materielle Prozesse. Der Weg von der Wesensschau geistiger Evidenz bis zur Manifestation und Erscheinung konkreter Bilder in spezifischen Medien der Künste oder umgekehrt: die Konstellation materieller Substanzen hin zur Erfahrung der Evidenz erfordert allgemein Einsicht und situative Klärung zu Grunde liegender Bildbegriffe. Eine Klärung kann allerdings nur, wie es Adorno forderte, anhand besonderer einzelner Werke konkret sich vollziehen, weil diese Werke jeweils eigene Episteme erzeugen.



Werk- Reflektion I 





Eine performative[22]Intervention, die imaginative Perspektiven berührt, entwickelt beispielsweise der Künstler William Kentridge in seiner Ausstellung „O Sentimental Machine“ 2018 im Liebighaus in Frankfurt. Die Inszenierung der Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Zeitebenen führt in das Herz der „Verweigerung der Zeit“. Gegen das Vergessen erhebt Kentridge, Sohn südafrikanischer Rechtsanwälte, Anklage gegen das dunkle koloniale Gewissen Europas. In seiner Performance Lecture stellt er anhand der Figur „Thinking in Material“ [23] den Weg rationaler, der Aufklärung geschuldeter Denkfolgen auf den Kopf. Aus dem experimentell chaotischen Umgang mit dem Material entsteht eine Form geistiger Evidenz. Die rätselhafte Erscheinung der Installation kann ohne eine schrittweise Rekonstruktion konkreter Herstellungsprozesse nur schwer nachvollzogen werden. Eine nachträgliche Beschreibung im Text bleibt ohnehin unzulänglich. Kentridge hinterfragt und reflektiert auf Herstellungsprozesse von Bildern in ihrer Migration durch die unterschiedlichsten medialen Formate. Folgendes Foto, aus dem in der Installation laufenden Film, vom Shooting- Stars der südafrikanischen Tanzszene, Dada Mills, spiegelt ein Detail der komplexen Installation, in welchen Kentridge sein imaginatives Denken entfaltet. Mills war eine Muse von Kentridge, mit der er in vielen Performances auf der Bühne agiert und einen dionysischen Dialog in Bewegung quer durch die Räume aller Medien inszeniert.




Der Vollzug einer gestischen Bewegung kommt von Urzeiten her vielleicht nirgends direkter als im Tanz zum Ausdruck. Kentdrige zeigt eine schwarze Tänzerin im weißen Gewand. Alle künstlerischen Statements changieren bei ihm meist in der Polarität von Schwarz und Weiß. Es handelt sich um einen Screenshot aus einem Video aus der Arbeit „Refusel of Time“, eine Arbeit auf der Documenta 2013, die jetzt erneut (sie existiert nunmehr in verschiedenen von Museen aufgekauften Repliken) innerhalb einer retrospektiven Anordnung in der Villa Liebig 2018 in Frankfurt gezeigt worden ist. Die Tänzerin schwingt ein weißes, großes Tuch in rotierenden Bewegungen, wobei sie sich des Öfteren, wie in einem Sufi-Tanz, um die eigene Achse bewegt. Am Boden ein zerrissenes Papierchaos aus beschriebenen Blättern, einem Chaos von schriftbildlichen Äußerungen. Die Tänzerin schlängelt sich zwischen undefinierbaren Maschinenteilen hindurch. Dabei bleiben Sinngebärde und der Ort, in dem sie sich befindet, zunächst undefinierbar. Ein Sinnentzug wirft den Betrachter auf das reine Geschehen, ohne Möglichkeit, eine einfache Bedeutung zu fassen. Dabei handelt es sich um eine von fünf gleichzeitig sich abspielenden Filmprojektionen, die synchron und asynchron sehr heterogene, meist unvereinbare Abläufe spiegeln. Um die gesamte 20-minütige Dauer der multiperspektivischen Installation und die gegeneinander montierten Filminhalte in einzelnen Sequenzen zu erfassen, bräuchte es viele aufmerksame Durchläufe. Der Betrachter ist in der ersten Begegnung schon in seiner Auffassungsgabe intensiv überfordert. Die ordnende Tätigkeit des Verstandes wird stringent gegen die Wand gefahren. Auf grauen Paneelen entwickelt sich auf dem Höhepunkt der Choreografie das Motiv der Prozession, ein Dansé Makabre von schattenhaften Figuren, bei welchem Lastträger rätselhafte Objekte tragen.



Fünf große Lautsprecher-Trichter verbreiten den Schall unbekannter Worte. Es sind oft Texte aus vergangenen Performances, ein Spektakel in Dada Manier. Die griechischen Skulpturen der Dauerausstellung wirken als statischer Kontrast europäisch kolonialer Hegemonie im Hintergrund. Darüber agieren die Schatten der Filmprojektion, eine bizarre afrikanische Bevölkerung, die schweigend ihren scheinbar endlosen Protest-Marsch fortsetzt. Manche Filmbildschnipsel flackern über die ehrwürdigen weißen Marmorfalten der Athena. Die Betrachter sitzen, ähnlich wie in dem Theater der Grausamkeit von Artaud, auf Stühlen im Zentrum des Raumes, um das Film-Panorama verfolgen zu können, wie in Platons Höhle. Die Wirkung des raumumgreifenden Panorama-Tableaus als Gesamteindruck entzieht sich durch die Überfülle der Sinneseindrücke schnell einer fokussierten, auf Details gerichteten Wahrnehmung. Der sensuelle Wahnsinn, die Überflutung durch Sinneseindrücke schafft eine halluzinatorische, non-fokale Anmutung. Europäische Geschichte in Form der griechischen Skulpturen wird überlagert von afrikanischen Schatten-Film-Figuren, die als dunkle Umrisse vorübereilen. In „Die Verweigerung der Zeit“ wird der Betrachter in eine unbestimmbare Gegenwart gezwungen, in der sich verschiedene Zeitschichten ineinanderschieben. Die Komprimierung der unterschiedlichen Zeitebenen führt zu einem Kollaps. Dieser Furor zerbricht förmlich eine lineare Zeitstruktur. Die Zeichnung wird zum Film, der Film zur Rauminstallation. Der Tanz und die Prozession werden zur Performance immer wieder im Filmbild begleitet in Gestalt einer Selbst-Inszenierung des Künstlers. Das berüchtigte Verfranzen oder die Überschreitung der einzelnen Künste erzeugt hybride, sinnoffene Schnittstellen zwischen den Künsten. Die erzwungenen pendelnden Wahrnehmungsweisen, die vom Betrachter jeweils als neue Wirklichkeit konstruiert werden können, verunsichern und fordern eine tiefergehende Auseinandersetzung, um das Werk nur annähernd zu vernehmen. Viele indirekte Zitate der Kunst und vergangener Projekte sind labyrinthisch ineinander spielend. Das Metronom von Man Ray als maschineller Klang der Zeit gerät vielfach reproduziert durch die Assynchronizität verschiedener Geschwindigkeiten außer Kontrolle. Wie können verschiedene Zeiten gleichzeitig präsent sein? In der Mitte steht der Elefant, eine unheimliche Maschine aus Holz, die unablässig einen Rhythmus diktiert, der als Basso Kontinuo wie eine Pumpe im Hintergrund lautlos schwingt und die Bilder durch seine machtvolle Bewegung zu erzeugen scheint. Dieses Monstrum bewegt die flüchtigen Filmbilder um den Betrachter herum. Der Loop als stehende Zeit findet wiederholt statt. Beispielsweise schreitet der Künstler immer wieder über ein in der Ausstellung befindliches Rokoko Möbelstück, das ihm sinnlos im Wege steht. Die Wiederkehr des Gleichen als ein strukturierendes stilistisches Mittel impliziert der Film als technisches Medium. Die Wiederholung als zeitliche Progression im Medium Film wird umgekehrt, es bleibt ein Stillstand in der Bewegung. Der Vorgang steht und bewegt sich doch, eine Paradoxie, welche die Mittel des Mediums auf den Kopf stellt. Die gesamte Choreografie wiederholt sich täglich immer gleich, wochenlang in diesem Raum an diesem Ort, in Frankfurt oder in Kassel, seit Jahren. Videokunst in der Installation, die von Kentridge in seinen Performance Lectures „Six Drawing Lessons“[24]beschworene Höhle Platons. Er reflektiert auf das Reflektieren, auf den Ursprung der Bilder, auf die Entstehung der Bilder, der Herstellungsprozess selbst stellt sich aus! „Refusal of Time“ von der Dokumenta 13, „Refuse The Hour“, aber auch die aktuelle Produktion auf der Ruhrtrienale 2018 „The head and the Load“ werden thematisch miteinander verknüpft, bzw. beziehen sich durch Verweise und Relikte unmittelbar aufeinander.

„The head and the load are a trouble for the neck“ / „Des Nackens Leid sind Kopf und Last“, sagt ein altes Sprichwort aus Ghana

Das Massaker, welches europäische Truppen im ersten Weltkrieg durch die Rekrutierung der schwarzen Bevölkerung als Lastträger verübten, wird parallel zur Frage der gegenwärtigen Fluchtursachen durch koloniale Verwüstung, als kollektive Erinnerung in das Bewusstsein des Westens getragen. Die Studie von Angela Breitbach über Kendrige entwickelt eine vertiefte Zugangsweise. Ihre Schrift zur Rezeption des Schattens „Übertragene Körper“[25]verfolgt die Arbeit von Kentridge bis in die Tiefen des Hades. Das Problem der Zeit wird in seiner Zusammenarbeit mit Tänzern, Performern, dem Komponisten und dem Physiker interdisziplinär beleuchtet. Interessant dabei sind die Verbindungen zu seinen Performance Lectures, die er nutzt, nicht um Kunst zu erklären, sondern um die Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Kunst transparent zu machen, weil Kunsterkenntnis hier sich imaginativ aus der Inszenierung und Selbstdarstellung des eigenen Denkens auf der Bühne zeigt. Kentdrige performt gewissermaßen sein imaginatives Denken. Ein multidimensionaler Installations-Zeit-Raum von gegenläufiger Zeit, gespiegelter Zeit und Gleichzeitigkeit, der bisweilen an das von Deleuze sogenannte Kristall-Bild[26]gemahnt, weil so unterschiedliche Erinnerungen und Zeitebenen kollidieren, wobei Komplexität und Chaos dabei sich durchdringende Kategorien bilden.


Werk -Reflektion  II

„Würden uns jetzt im Original zwei Bilder von Paul Klee gezeigt, die er in seinem Todesjahr geschaffen hat: das Aquarell »Heilige aus einem Fenster« und, in Tempera auf Rupfen, »Tod und Feuer«, dann möchten wir lange davor verweilen und - jeden Anspruch auf unmittelbare Verständlichkeit preisgeben.“

Zitat „Zur Sache des Denkens“[27]




Das Bild „Tod und Feuer“ spiegelt autobiografisch die Todesnähe Klees. Es handelt sich um ein so genanntes Memento Mori, es zeigt, dass die Würde des Menschen im Tod als existenzieller Sinn aufleuchtet. Die schwarze Figur schreitet hinter dem Tod. Sie folgt mit vorsichtigen Schritten der weißen Maske des Todes. Dabei wird einfache Verständlichkeit überschritten. Heideggers später Vortrag „Zeit und Sein“ umschreibt das Ereignis. Das Ereignis, jenseits einer logischen Verwendung, ist nicht das Sein übersteigend oder umfassend, sondern wird als Wirksamkeit innerhalb der Verschränkung von Sein und Zeit gedacht. Die Entstehung eines Bildes zu verfolgen ist für den Produzenten wie für den Rezipienten, wenn er in das Werden des Bildes eintaucht, ein zeitlicher Prozess. Klee reflektierte in seinen Vorlesungen im Bauhaus, welche erschienen sind in dem Band das „Bildnerische Denken“, immer wieder die Genese des Bildes. Der schöpferische Vorgang, die Wandlung und Transformation der Form, können in der Rekonstruktion des malerischen Tuns nachvollzogen werden. Beispielsweise die Verwendung der Farbsubstanz Weiß im zentral gesetzten Schädel leuchtet als ein magnesiumartiges Glimmen unregelmäßig in der schwarz konturierten blattartigen Form als Figur des Schädels.

Der unregelmäßige Farbauftrag bewirkt eine von innen leuchtende geisterhafte, groteske Morbidität. Die Form des Mundes und des rechten Auges bilden formal gelesen Asymmetrien, wie Chiffren, Hieroglyphen oder Spuren des Todes. Der Mund als leicht aus der horizontalen Ebene gezeichneter linearer Balken markiert Schweigen oder als verschlossener Mund Sprachlosigkeit. Der Kopf ist durch eine kleine Diagonale mit einem hellblauen Feld verbunden, welches als Leib oder Körper des Todes gelesen eine Personifikation in der Art der Totentänze sein könnte. Im Grunde nur eine Fläche in der Randzone, doch als Türkis komplementär der feurigen Zone im oberen Bildrand, als Spannungsverhältnis korrespondierend. Klee tastet sich zu dieser Zeit in vielen Werken langsam, schwer gezeichnet durch seine Krankheit, vor in die Erfahrung der Schwelle des Todes. Filmsequenzen von der Tätigkeit des Künstlers könnten das Entstehen von Formgesten sowie die Bewegungen der Hand oder des Pinsels dokumentieren. Protention nannte Husserl den Strom der Zeit, der aus der Zukunft fortwährend in die Gegenwart leuchtet, im Gegensatz zur Retention, dem Strom der Zeit, der aus der Vergangenheit als Nachklang in die Gegenwart wirkt. Zwischen Vergangenheit und Zukunft wirkt das Ereignis, die schöpferische Handlung in der Gegenwart im Widerstand durch das Material. Die Todesnähe wird in der Protention, der Ankunft des Todes im eigenen Schicksal, spürbar. In diesem Sinne handelt es sich bei dem Bild um eine Vorausahnung der eigenen Sterblichkeit. Der groteske weiße Schädel bisweilen grinsend, bald schaurig entstellt, geisterhaft auf der morbiden, brüchigen und groben Textur der Jute mit unregelmäßigem Auftrag der Farbsubstanz, lässt das zinnoberrote Feuer um den goldenen Kreis erglühen. Schwarz gerahmte, streng lineare Strukturen betonen Wege oder Arme des Sensenmannes. Hinter dem Schädel schreitet eine mit einer Raute gewappnete Figur mit unsicheren Schritten. Der goldene Kreis der Sonne visualisiert den bannenden Lichtkreis, welcher das Ziel der schreitenden Figur zu sein scheint.



7 Imagination und Zeit - Heideggers Ereignis


Heideggers Darstellung vom Ereignis gibt den Anlass über das Verhältnis von Bild und Zeit nachzusinnen. Zeit in der Retention, Protention und Vergegenwärtigung war ein von Husserl aufgespanntes Feld, welches er im Zusammenhang mit dem Bildbewusstsein des Menschen thematisierte. Kamper verweist ebenso, in der oben dargestellten Schrift „Zur Geschichte der Einbildungskraft“  auf  Heidegger, der in seinem Werk: „Kant und das Problem der Metaphysik“ auf Seite 165 oben sehr genau den Umstand heraus arbeitet , das Kant nicht den dunklen Weg beschritten ist, um die reine Subjektivität des Menschen zu deduzieren.

„Diese Aufgabe einer transzendentalen Enthüllung des Wesens der Subjektivität des Subjektes (die „subjektive Deduktion") wird jedoch nicht erst nachträglich in der Vorrede gestellt, sondern Kant spricht schon in der Vorbereitung der Deduktion von diesem „noch ganz unbetretenen Wege", der notwendig eine „Dunkelheit" bei sich führt.“[28] 

Hier wurde die Einbildungskraft wiederum in das untere niedere Vermögen des Menschen verwiesen. Aber die Reflexion über Heideggers Ereignis kann nur mit dieser dynamischen Qualität der Einbildung erfasst werden, weil die Zeit in ihrer Gegenwärtigkeit im Ereignis bewegt wird. Dieser philosophische Aspekt ist aber gerade ein Tor zur ästhetischen Erfahrung.
Performative Ästhetik gründet sich so in der Auseinandersetzung und Vertiefung des Begriffs vom Ereignis. Die zeitliche Dimension in der Bildwahrnehmung erfordert einen Blick auf die Tätigkeit des Betrachters. Die Introspektion und Selbstbeobachtung des Betrachters wird zur zentralen Kategorie der Bildungserfahrung. Annäherungen an die Zeit umschreiben die Kategorie des Entzugs, weil sich das lebendige Denken als künstlerischer Prozess erst durch die Freiheit der Erkenntnis-Tat des Menschen ergibt.
In der Spätphilosophie bildet der Begriff vom Ereignis im Zusammenhang mit der Zeit einen Horizont, der die Zeit auf eine immanente Weise zu denken versucht. Das Ereignis als verbindende Gabe von Sein und Zeit, zwischen dem Geschick des Seins als dem sich reichen der Zeit.  

Das Reichen aber beruht ~eins mit dem Schicken im Ereignen.“

Heideggers Begriff vom Ereignis verdichtet sich in dem Vortrag Zeit und Sein 1962 in „Zur Sache des Denkens“ [29]Der Vortrag hebt an mit einer Würdigung der Bildenden Kunst anhand eines Werkes von Paul Klee: „Tod und Feuer“. Ästhetische Erfahrung wird hier als eine mystische unsagbare Dimension gewürdigt, die sich unmittelbarer Verständlichkeit entzieht.

Wir können das mit dem Namen »das Ereignis« Genannte nicht mehr am Leitfaden der geläufigen Wortbedeutung vorstellen; denn sie versteht »Ereignis« im Sinne von Vorkommnis und Geschehnis - nicht aus dem Eignen als dem lichtend verwahrenden Reichen und Schicken. „ »Sein als das Ereignis« - Früher dachte die Philosophie vom Seienden her Sein als i8ea, als €vepyeta, als actualitas, als Wille und jetzt - könnte man denken - als Ereignis. So verstanden, meint Ereignis eine abgewandelte Auslegung des Seins, die, falls sie zu Recht besteht, eine Fortführung der Metaphysik darstellt.“

Es gibt Sein, es gibt Zeit, da heraus fragt Heidegger nach dem Es. Die Entwicklung des Seins wird auf den Begriff des Ereignisses in einer kulturhistorischen Perspektive hingedacht. Das Sein entwickelt Heidegger anhand des Schickens als Gabe. Die Zeit anhand des Begriffs des reichens, dem Ineinandergreifen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die sich einander entziehen und sich durch ihr gegenseitiges reichen bedingen. Reichen und Schicken im Kontext von Zeit und Sein sind dann im Ereignis verbunden. Ereignis wird so in den Bereich der Entbergung der „Aletheia“ gerückt, so dass eine Nähe zum Unsagbaren entsteht. Die Bestimmung des Seins als Ereignis wird gegenüber beispielsweise antiken Ideen abgegrenzt und für die Gegenwart in ein dynamisches (performatives) Verhältnis gerückt. Charakteristisch für die Bestimmung von Ereignis ist dann der Entzug, welcher aus dem sich reichen der Zeit abgeleitet wird. Das Wesen vom Ereignis entzieht sich. Im an sich halten spricht sich eine Geste aus wie ein saugender Raum, etwas, das nichts sagt.

„Läßt sich vom Ereignis noch mehr sagen? Unterwegs wurde schon mehr gedacht, aber es wurde nicht eigens gesagt, nämlich dies, daß zum Geben als Schicken das Ansichhalten gehört, nämlich dieses, daß im Reichen von Gewesen und Ankommen Verweigerung von Gegenwart und Vorenthalten von Gegenwart spielen. Das jetzt Genannte: Ansichhalten, Verweigerung, Vorenthalt, zeigt dergleichen wie ein Sichentziehen, kurz gesagt: den Entzug“.

Der Entzug als Geste von Verlust wirkt als Negativität und bewirkt eine Geste des Bruchs der Leere. Es handelt sich nicht um eine gebende Erfüllung, sondern um die Abwesenheit von etwas.

  „... wie das Ereignis west und d. h. anwest. ... Was ist das Ereignis?

Diese Bestimmung zeigte sich aus der Vor-Sicht auf das »Es« das gibt, im Durchblick durch die ineinander verfugten Weisen des Gebens, das Schicken und Reichen. Schicken von Sein beruht im lichtend-verbergenden Reichen des mehrfaltigen Anwesens in den offenen Bereich des Zeit-Raumes. Das Reichen aber beruht ~eins mit dem Schicken im Ereignen.

Diese ontologische Perspektive einer Entwicklung der Metaphysik ist als Gabe des Seins im Vortrag berührt. Demnach haben Kant, Nietzsche oder griechische Philosophen das Sein in je anderer Weise bestimmt. Das Geschick des Seins ist so der sich wandelnde Geist einer bestimmten Zeit. Die Ontologisierung vom Ereignis... Zeit und Sein ereignet im Ereignis.

Sofern aber die durch ihn bestimmten Weisen des Gebens, das Schicken und das Reichen, im Ereignen beruhen, muß der Entzug zum Eigentümlichen des Ereignisses gehören.

..., sei auf Eigentümliches im Ereignis gewiesen. Das Schicken im Geschick des Seins wurde gekennzeichnet als ein Geben, wobei das Schickende selbst an sich hält und im Ansichhalten sich der Entbergung entzieht. In der eigentlichen Zeit und ihrem Zeit-Raum zeigte sich das Reichen des Gewesenen, also von nicht-mehr-Gegenwart, die Verweigerung dieser. Es zeigte sich im Reichen von Zukunft, also von noch -nicht-Gegenwart, der Vorenthalt dieser. Verweigerung und Vorenthalt bekunden denselben Zug wie das Ansichhalten im Schicken: nämlich das Sich-entziehen.

...Zum Ereignis als solchem gehört die Enteignis. Durch sie gibt das Ereignis sich nicht auf, sondern bewahrt sein Eigentum.

.... Im Sein als Anwesen bekundet sich der Angang, der uns Menschen so angeht, daß wir im Vernehmen und Übernehmen dieses Angangs das Auszeichnende des Menschseins erlangt haben.

So geeignet gehört der Mensch in das Ereignis. Dieses Gehören beruht in der das Ereignis auszeichnenden Vereignung. Durch sie ist der Mensch in das Ereignis eingelassen.

Insofern Zeit sowohl wie Sein als Gaben des Ereignens nur aus diesem her zu denken sind, Muss entsprechend auch das Verhältnis des Raumes zum Ereignis bedacht werden.


Der Begriff des Entzugs bildet eine der entscheidenden Figuren moderner Ästhetik des 21. Jahrhunderts. Es werden nicht offenbare Imaginationen gezeigt. Vielmehr verweisen die Bilder oder Installationen auf abwesende Bilder, die sich erst in der Imagination des Betrachters selbst immateriell ereignen. Das Kunstwerk dient so als Anlass, um die Imaginationskraft des Betrachters anzuregen. So schildert der Künstler nicht seine Imaginationen, sondern er schafft Konstellationen, in denen der Betrachter seine Imaginationskraft selber entfalten kann.
In der subjektiven Wirklichkeit mentaler Prozesse ereignen sich performativ unterschiedliche Bilder. Auf die Bewusstwerdung dieser dynamischen Vorgänge des Bewusstseins während der Bild-Rezeption richtet sich nun die Aufmerksamkeit der Untersuchung. Es entstand die Frage nach visuellen Epistemen. Die Beobachtung der mentalen Bildkonstruktionen ist eine Grundlage, um Einsicht in das Wirken von Bildern zu gewinnen.
Die Eigensinnigkeit visueller Erkenntnis bringt vernünftiges Verstehen bisweilen grundsätzlich zum Schweigen. Das von Waldenfels in Anknüpfung an Husserl benannte „Vorgängige Getroffen sein“ (Waldenfels Bruchlinien der Erfahrung S.54-60) als rätselhafte Berührung, reines Staunen oder unmittelbare Einsichten intuitiver Anschauung sind in der vertieften ästhetischen Erfahrung bisweilen rätselhaft gegenwärtig. Tiefere Bilderfahrungen leisten eindimensionalem Verständnis oder der intellektuell, rational, referenziellen Fassbarkeit Widerstand.
Bilder haften an einem Medium wie Film, Foto oder Leinwand und erscheinen für unsere Wahrnehmung parallel zu mentalen Bildern. Das Zusammenspiel von Wahrnehmung und Gedanken (Sinn oder Bedeutung) oszilliert besonders in der ästhetischen Erfahrung, sofern keine Beobachtung dieser Vorgänge stattfindet, unentwirrbar ineinander. In den Rezeptionsvorgängen von Bildern finden fortwährend Überkreuzungen und Chiasmen statt, eben zwischen den gegenständlich im Material, in verschiedenen Medien erzeugten Bildern und mentalen Bildern. Die Zweiheit innerer und äußerer Bilder fällt zudem als Wirklichkeitserfahrung bewusst oder unbewusst ineinander. Durch bewusste Beobachtung der inneren Wahrnehmung der Konstitution des Bildbewusstseins sowie der äußeren Sphäre von Wahrnehmung kann eine Methodenreflexion und intersubjektive Einstellung bei der Betrachtung von Bildern angestrebt werden. Der bewusste Vollzug dieser Beobachtungshaltung selbst zeigt eben eine performative, nämlich prozessorientierte, zeitlich dynamische Struktur. Die intentionale Ausrichtung des Bewusstseinsaktes auf innere und äußere Aspekte kann als Prozess reflektiert werden und weist eine Grundstruktur auf, die hier, mit besonderem Blick auf ästhetisches Erkennen, als imaginatives Geschehen untersucht werden soll. Zur Einstimmung in diesen Themenkreis folgen hier jedoch noch einige Aspekte zur performativen Ästhetik, allgemein unter einer entwicklungsgeschichtlichen Perspektive.



8 Performative Ästhetik





Der Substanzbegriff europäischer Philosophie brachte Jahrhunderte hindurch klassische, meist idealistisch geprägte Formen der Ästhetik hervor. Im 20. Jahrhundert entstanden dann Positionen der Anti-Ästhetik, die von Negation geprägt waren. Zu ihnen gesellten sich Anfang des 21. Jahrhunderts Aspekte einer dekonstruktiv performativen Ästhetik, die verstärkt den Herstellungsprozess, die Partizipation und aktivistische Formen des Protests thematisieren, denn der digitale Überwachungs-Staat zieht viele Künstler wieder in den öffentlichen Raum. Negation enthält im Kern Bild zerstörende Potenziale, ikonoklastische Gesten. Die Moderne thematisiert Zerstörung und Weglassen. Die klassische Ästhetik formulierte noch bis zu Adorno eine kontemplative Betrachtungsweise. De Anti- Ästhetik schafft Irritation und dekonstruiert die traditionelle Sicherheit in der Begegnung mit dem Schönen, denn die Ästhetik des Hässlichen tritt gleichberechtigt neben die Harmonie der reinen Farbe und Form. Duchamps Urinoir, aber auch das schwarze Quadrat von Malewitsch können mit einem traditionellen Begriff der Klassischen Ästhetik nicht mehr ohne weiteres erfasst werden. Weil diese Werke die klassische Norm-Ästhetik zerstören. Der Ikonoklasmus ist der Moderne ins Antlitz gebrannt.
Die Bildtheorien, wie sie sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts entwickelten, weisen auf Spuren einer performativ zeitlichen Perspektive hin. Unter dem Begriff der Performativität werden Bilder als dynamische Bewusstseinsakte, zwischen intermedialen Formaten pendelnd, thematisiert. Wenn Olafur Elisason beispielsweise gefärbte Kugeln in einer fahrenden Straßenbahn über weiße Zeichenpapiere laufen lässt, dokumentiert er Erschütterungen und Bewegungen einer technischen Einrichtung, eines banalen Beförderungsmittels. Aber die Zufälligkeit und Verspieltheit der Versuchsanordnung bringt das Verlaufen der Zeit in der Fahrt zum Ausdruck und visualisiert jenseits einer Geste des Zeichenstrichs eine Art wissenschaftliche Neugierde auf unbemerkte visuelle Phänomene.
Einige Ansätze in den Theoriebildungen orientieren sich innerhalb der ästhetischen Diskussionen, an den Grundbegriffen der von Husserl begründeten Phänomenologie.[30]Der Begriff der Intentionalität weist im Zusammenhang mit der Epoché und dem Begriff Horizont auf die Sphäre des Performativen. Der Begriff Performativität ist dem lateinischen performare  „völlig bilden“ entlehnt, etwas das durchformt ist und sich insofern in der Gegenwärtigkeit ereignet. Es bekommt, als Vorgang gedacht, Vollzugscharakter. Der Begriff Ereignis, nicht im Sinne von,
dass etwas geschieht, wird in der Spätphilosophie Heideggers (Zur Sache des Denkens 1962) als ein der Zeit wesenhaft konstituierender Vorgang verstanden. Der Begriff Ereignis, zentraler Begriff der Philosophie Heideggers, deutet hier, der Performativität sehr verwandt, auf ein zeitliches Geschehen. Performativität als modischer Begriff findet inzwischen in vielen Eventstrategien, Themen der Ästhetik und kulturellen Forschungen Verwendung und verliert seine Konturen oder er wird kontextuell sehr spezifisch verwendet. Der Begriff weist in eine Dynamik, er entzieht sich durch seinen Bewegungscharakter einer kristallinen Definition. Der schillernde, für das Bildende der Kunst zentrale substantivische Begriff der Form, wird durch das „Per“ als Dynamik verbalisiert. Das Thema der Performativität taucht weitverzweigt in der wissenschaftlichen Diskussion in unterschiedlichen Nuancierungen, anschließend an die Performanz in der Sprechakttheorie[31]und parallel zur Performance in der Kunst, zudem in der Soziologie, Bild-, Tanz- und Erziehungswissenschaft auf. Von der “High-End Performance” des Plasma-Bildschirms bis zur Performance des Politikers ist in der Eventkultur alles und nichts zur medialen Performance geworden. Selbst der Text an sich gerät als „page as stage“[32]zu einer Inszenierung. Der Begriff der Performance fand in den 60ziger Jahren aus den USA kommend in der Kunstszene im Kontext des Aktionismus in Europa Verwendung. In dieser Studie wird Performativität im Zusammenhang mit der Phänomenologie untersucht im Hinblick auf den Begriff der Imagination, da es sich bei der Bildwahrnehmung und innerhalb der Wahrnehmungslehre allgemein um einen Bewusstseinsakt handelt, der mit Aufmerksamkeit aktiv vollzogen werden muss.
Phänomenologie bei Husserl thematisiert nicht in erster Linie Kunstwerke, sondern versucht Bewusstseinsstrukturen zu klären, welche den Wahrnehmungen und Begriffsbildungen zu Grunde liegen. Bilderfahrungen und Bewusstseinsvorgänge im Wahrnehmungsprozess orientieren sich in philosophischen Diskursen bildwissenschaftlicher Verfahren oft an Husserl.
Die Rezeption Husserls in der Bildtheorie wird von Autoren kritisch erweitert und unterschiedlich in ästhetischen Fragen akzentuiert.[33] Die hieraus entstehenden labyrinthischen Diskurse zur Bildtheorie sind als phänomenologische Forschung Teil der Bestrebungen zu einer Bildwissenschaft, wie sie beispielsweise auch Klaus Sachs-Hombach propagierte[34]. Die Position einer phänomenologischen Bildbetrachtung steht einer semiotischen Methodik gegenüber. Sachs-Hombach versuchte eine Vermittlung der beiden Positionen. Jedoch zeigen die Ansätze der verschiedenen Forscher in seinem Band „Wege zur Bildwissenschaft“[35]sehr divergente Positionen, so dass jeweils genau beobachtet werden muss, wo heraus, anhand welcher Bildwerke und aus welchen Zeiten ein bestimmtes Bildverständnis entwickelt wird. Fast jeder Forscher kommt heute in seiner Theorie zu anderen philosophischen Deutungen[36]. Die zwischen Semiotik und Phänomenologie umstrittene Bildwissenschaft produziert unaufhaltsam Texte über Formen visueller Erkenntnis, so dass die Textproduktion visuelle Phänomene scheinbar dominiert oder eben zu bändigen versucht. Der Widerstreit von Zeichen und Bild kann je nach Wortsetzungen ganz unterschiedliche Färbungen annehmen. Es ist schwierig, Bilder des 20. Jahrhunderts, die weder Zeichen noch Bild sind, zu fassen. Tapies visualisiert Schrift-Zeichen bewusst als kryptische Chiffren und Affekte. Auch bei Cy Towmbly[37]findet man hierzu geheimnisvolle Vieldeutigkeiten. Anhand bestimmter Werke zeigen sich aber Formen visueller Erkenntnis im Unterschied zu rein diskursiv philosophischen Begriffsbildungen. Gedanken, die aus der Anschauung entstehen, provozieren visuelle Episteme, weil jedes Werk der Moderne im Grunde andere ästhetische Kategorien entwirft. Visuelle Phänomene wirken produktiv auf eine philosophische Spracherzeugung zurück, die als Grenzgang imaginativen Strukturen gerecht zu werden versucht. Der Begriff Bildtheorie etablierte sich unter dieser unüberschaubaren Diversität überhaupt erst nach der Jahrtausendwende im Kontext des Ikonic turn. Inzwischen bezweifeln führende Protagonisten der Bildforschung wie Dieter Mersch überhaupt die Möglichkeit einer Bildtheorie und sprechen ausweichend von Ikoniziät oder Medialität des Bildlichen.[38]
Der dynamische Vorgang der Bildentstehung wird immer an spezifischen Werken durch Anschauung als Wirklichkeitsbildung jeweils situativ neu beobachtet. Die Anschauung der reinen Wahrnehmung ohne Begriff und die intellektuale Anschauung, die Beobachtung der Begriffsbildung selbst weisen dabei auf die beiden Grenzen der Konstitution von Wirklichkeit.[39]Die situative Erfahrung mit Kunstwerken kann anregen, sich ereignende Wirklichkeitsgeschehen bewusst zu erfassen. Die komplex entworfenen Diskurse der Performativität, des Leibes, des Ereignisses und der Intentionalität eröffnen als Begriffsbildungen sich überkreuzende Felder, die sich berühren und durchdringen. Der Wahrnehmungsakt als Vergegenwärtigung, als Erfahrung mit Kunst wird von den verschiedenen Autoren auf der Basis philosophischer Begriffe sehr divergent expliziert [40]. Manche elegante Figur der Rhetorik erinnert an die griechischen Sophisten. Der Diskurs als Macht der Legitimation über das Bild wird oft bedeutender als die Hervorbringung der bildlichen Artefakte selbst. Anhand der Kunst Cézannes (Realisation-ikonische Evidenz) wird ein erster Vorgang der Annäherung an ein Bild im nächsten Kapitel vollzogen. Link
Vor dem 2. Weltkrieg formulierte Husserl anhand seiner Phänomenologie grundsätzliche Fragen an den europäischen Wissenschaftsbetrieb[41]. Die Kritik Husserls an einer einseitigen Ausrichtung der Erkenntnistätigkeit der Wissenschaft kann man für die Bildtheorie im Zusammenhang sehen mit künstlerischen Protest-Bewegungen wie dem Surrealismus und Dadaismus. Die philosophische Strömung der Phänomenologie entwickelte sich zudem parallel zur Entstehung der abstrakten Kunst.[42]Die Methode der Phänomenologie zeigt, was im "status nascendi" geschieht. Es handelt sich für die Kunstbetrachtung um eine Rückführung des Bewusstseins auf die Genese, natura naturans, welches schöpferische und psychische Energie umfasst. Aktuelle ästhetische Darstellungen wurzeln vielfach in der Philosophie Husserls. Seine Grundbegriffe sind über Heidegger und Böhm in die gegenwärtigen Bemühungen um das, was ein Bild sein kann, eingeflossen, was hier exemplarisch an einigen Feldern skizziert werden soll. Die Begegnung mit dem starken Bild ist dem menschlichen Antlitz verwandt [43]. Das Antlitz wird als eine Form des starken Bildes gesehen. Diese unmittelbare Berührung durch die Tiefenschichten eines Werks stellt Levinas in einer sehr berührenden Perspektive ethisch dar. Als Überlebender des Holocaust entwirft er anhand des Antlitzes eine existenziell religiöse Auffassung vom Bild. Gottfried Böhm fordert für die aktuelle Bildforschung nichts weniger als den Horizont eines Paradigmenwechsels in den Kulturwissenschaften. Die durch die Philosophie begründete Sprachkritik suchte die Wirklichkeit der Bilderfahrung präreflexiv vor der Sprache im Topos des Zeigens.[44]In seinem Buch wie „Bilder Sinn erzeugen“[45]und in dem Essay „Jenseits der Sprache“ (S.34-53) expliziert G. Böhm beispielsweise diese Perspektiven besonders anhand der Deixis. Das Zeigen in seiner räumlichen und zeitlichen Konstitution umkreist das Eigensinnige visueller Episteme. (S. 19-33). Die hermeneutischen Reflexionen der ikonischen Differenz werden dabei mit Bezugnahme auf Gadamer als ein Zuwachs an Sein für den Bilddiskurs, als eine Bild-Ontologie entworfen (S.253). Die Ausgangspunkte der Gedankengänge von Böhm und Gadamer liegen jedoch wiederum bei Heidegger[46]. Auf die Begriffe des Zeigens, des Entzugs und vor allem auf das im Spätwerk präsente Wort vom Ereignis nehmen diese Autoren wiederholt Bezug[47]. Heidegger versucht entlang seiner spezifischen Sprachwege, Unsagbares anzudeuten. Eine ontologische Dimension, der Seinszuwachs des Bildes, wird hieran von Gadamer auf der Basis der europäischen Tradition von Ontologie und Metaphysik in hermeneutischem Sinn bewegt. Gadamer gesteht Bildern zu, dass „Urbildlichkeit erst im Darstellungscharakter des Bildes selbst entsteht“. Urbildlichkeit sei ein „Wesensmoment der Darstellung“. Durch die Darstellung erfährt das Bild einen „Zuwachs an Sein“. Diese Ontologisierung des Bildes umschreibt er mit dem Begriff der Emanation, der auf Horizonte eines Lebensvorgangs verweist. An diesen Maximen orientiert sich Böhm in seiner Bildausfassung[48]. Von hier aus seien hermeneutische Reflexionen erst möglich, die, im Dickicht der aktuellen Bilderflut, eine Unterscheidung ermöglichen. Hier spürt man zwar den eher substanziellen Bild-Begriff Gadamers, der die Kunst der europäischen Tradition zitiert. Aber trotzdem weist die Ontologie des Seinscharakters der Bildwirklichkeit in eine ähnliche Richtung, wie Mersch es mit seiner Setzung des Ereignisses unternimmt, denn es wird hier ein Bereich vor aller Bedeutungszuschreibung gesucht. Fast verwandt dem chinesischen Dao als einem unbeschreiblichen Seinsgrund. Aus der Perspektive asiatischer Traditionen wären ohnehin weitere Dimensionen der Bildkonstitution zu ergänzen.[49]In Verbindung mit der griechischen Tradition steht die christliche Eschatologie, basierend auf der Vorstellung der Transzendenz.  Dieses Denken in Bildern, verankert in einer humanistischen Sphäre, geht von europäischen Quellen aus. Die Anschauung einer phänomenologischen Hermeneutik ist aber nur eine Möglichkeit bildwissenschaftlicher Wege. Der Topos der „Vera Ikon“ des nicht von Menschenhänden gemachten Bildes zeigt das Christus-Bild als Verkörperung Gottes. Der Sohn Gottes als ein Abbild des Urbildes Gott.[50]Die Menschen sind nach dem Bilde Gottes erschaffen. Deswegen war die Erschaffung oder Schöpfung zunächst einzig Gott vorbehalten. Durch Christus wurde der Mensch in die Schöpfermacht einbezogen. So entwirft dieser Bezug zum Logos eine eschatologische Dimension der Zeit. Durch Christus entsteht die Zeitrechnung und in ihm wird die Zeit vergehen. Das Alpha und Omega der Zeit bildet der Logos, der geschichtlich betrachtet zunächst noch ganz in einer Perspektive der Verbildlichung des Wortes gesehen wird. Die christliche Kunst visualisiert bis ins 19. Jahrhundert die textgebundenen Heilsbotschaften der Bibel. In der Kunst der Moderne mündet diese logozentrische Sicht als eine an der Sprache orientierte Anschauung in einer Eigenmächtigkeit und Auflösung der bildlichen Raum- und Zeitstrukturen, der hauptsächlich an der Renaissance gewonnenen traditionellen Bildauffassung. Das Bild selbst wird dann erst in der Moderne zu einer autonomen Verkündigung visueller Episteme, einem bildlichen Logos.

Jedes Werk entwirft nun, sozusagen als Logos des Bildes an sich, neue ästhetische Kategorien jenseits der Normästhetik, welche mehr älteren Kunststilen gerecht wird. Insofern können manche Aspekte der Bilderfrage nie ohne eine Evolution des Bewusstseins oder eine Evolution der Imagination gedacht werden. Der Logos der Sprache bildet sich um in den Logos des Bildes. Die Nicht- Darstellbarkeit von Gott in alten Zeiten mit Bezug auf die zehn Gebote „Du sollst dir kein Bildnis machen“ wird in westeuropäischer Kunst durch die Existenz Christi in eine Verkörperung der Bilder, in eine Immanenz des Unsichtbaren überführt. Das fleischliche Sein, die leibhaftige Inkarnation Gottes in Christus legitimiert seither für die Abendländische Kunst bildliche Darstellungen des Undarstellbaren. Diese Paradoxie einer Darstellung von übersinnlichen, göttlichen Dingen in der sinnlich, materialen Leiblichkeit zeigte sich in der frühen europäischen Bild-Tradition so, dass das Bild als nicht von Menschenhänden gemacht in das Licht der Offenbarung gerückt wurde. Dies war ein Versuch, Geistiges und Materielles im Licht der christlichen Metaphysik in Verbindung zu denken. Es war die Vermählung des Sichtbaren und des Unsichtbaren. Für die östliche Bildtradition der Ikonen oder asiatischer Philosophie und Kunst gibt es nuancierte andere Bildauffassungen. Diese Bildauffassungen kann man von Europa über Russland bis in den asiatischen Raum als Variation im Verhältnis von Idee zur Materie darstellen. Eine Interkulturelle Geschichte der Bilder bleibt ein Projekt der Zukunft.
Ich beschränke mich in dieser Arbeit darauf, anhand von Beispielen exemplarisch die Polarität von östlichen und westlichen Bildbegriffen wenigstens zu berühren, um nicht einem rein eurozentrischen Blick zu verfallen. Im 20. und 21. Jahrhundert vermischen sich östliche und westliche Kunstströmungen zu einer global-integralen Sicht auf das Phänomen der Bilder. Es entstehen in der kosmopolitischen Welt unserer heutigen globalisierten Biennalen hybride Bildauffassungen zwischen den Kulturen. Die „Ikonische Differenz“, eine hermeneutisch- phänomenologische Betrachtung, wird als Sinnstiftung durch Bilder von Gottfried Böhm verfolgt. Eigenwillige Studien zur Visualität wie die von Sigrid Schade[51] im Kontext der angloamerikanischen Visuell Studies zeigen in Abgrenzung einen eher semiotisch kulturwissenschaftlichen Forschungsansatz. Die zahllosen methodischen Probleme in der sich profilierenden Bildwissenschaft, Forschungslücken und die Bemühungen zur Abgrenzung des eigenen Forschungsprofils lesen sich wie ein Krieg um Bilder im Medium Text. Auch der Diskurs um das Bild scheint ikonoklastische Züge angenommen zu haben. Künstler antworten auf diese Kriege oft mit sehr abfälligen Gesten, die Bildforschung als sinnlos erscheinen lässt. Aber in unserer Zeit, in welcher der Kommentar zum Werk das Bild oft erst vollendet, bleibt zwischen Text und Bild ein spannungsreiches Intervall. Die Frage nach der Vermittlung, die Schnittstelle zum Betrachter bleibt, als Frage nach der transformativen Erfahrung im Betrachter, relevant. Deskription versucht die wuchernde Hydra[52] der Visualität zu bändigen. Kulturhistorisch gesehen bleibt das rätselhafte Phänomen jedenfalls bemerkenswert, dass seit der Jahrtausendwende die Frage nach dem Bild an sich auftaucht. Parallel korrespondiert damit die enorme Bilderflut digitalisierter Bilder auch in wissenschaftlich bildgebenden Verfahren. In der Gegenwart steigert sich dies bis hin zur sich verselbständigenden KI, die als Künstler:in auftritt. Siehe dabei beispielsweise die von Heinz Burda herausgegebene Reihe Iconic Turn 2001, 2003, 2005. Hierbei wurden viele Perspektiven der interdisziplinären Erforschung von Bildwelten untersucht. In den 90ziger Jahre begann diese Diskussion mit Gottfried Böhms grundsätzlichen Fragen zum Bild. Dieser Klassiker vereint relevante Positionen zur Bildtheorie.
Die Willkür und Fülle technischer Reproduzierbarkeit digitaler Bildwelten verhindert oft die Möglichkeit einer vertieften formalen Bilderfahrung, wobei die viel diskutierte Metapher der Bilderflut mit ihrer apokalyptischen Konnotation die dramatische Zunahme der Bildschwemme zu umschreiben suchte. Was ist ein Bild?[53]Die Zerstörung eines vertieften Bildverständnisses kann sich aber durch einen bewussten Umgang mit dem Bild hin zur Imagination erneuern. Die Grenze des Sagbaren weist auf ikonische Episteme, die auf den Schwellenraum der Bildentstehung als „Ordnungen des Sichtbaren“ hindeuten[54]. Doch worin bestehen diese Ordnungen des Sichtbaren? Die von Böhm verfolgte Anschauung eines Bildes erschließt spezifische Formen visueller Erkenntnis, die nicht in einem rationalen Textverständnis aufgehen. Der Text weist jedoch durch die Beschreibung visueller Erfahrungen auf ikonische Episteme[55].
Ikonische Diferenz I    Ikonische Differenz II     (jeweils Unlektoriert)



Literaturverzeichnis


[1] http://kamper.cultd.net/texte/_sekundaer/schoenherr.htm,

Hans-Martin A. Schönherr, Die Einbildungskraft als Dietmar Kamper, Auszüge aus: Die Einbildungskraft als Dietmar Kamper. Ein Portrait von Hans-Martin A. Schönherr, in: Information Philosophie Juli 1987, Nr. 3, S. 12-21, Rubrik “Portrait”

[2]Dietmar Kamper, Geschichte der Einbildungskraft, Rowohlt Enzyklopädie, 1990
[3] Adorno, Theodor W. O. A.: Der Positivismus Streit in der deutschen Soziologie, Neuwied 1969, Seite. 62 F   
Klages, Ludwig: der Geist als Widersacher der Seele, Bonn 1960, besonders Bd. 3 die „Wirklichkeit der Bilder“ 
Palagyi, Melchior: Theorie der Fantasie, in: derselbe: Ausgewählte Werke, Bd. Zwei Leipzig 1925, Seite 94  
Sartre, Jean Paul: das imaginäre. Phänomenologische Psychologie der ein Bildungskraft, Rheinweg 1971 
Merleau–Ponty, Maurice: Phänomenologie der Wahrnehmung, Berlin 1966
Derselbe: das Auge und der Geist. Philosophische Essays, Reinbek 1967, Seite 132
Szilasi, Wilhelm: über das Einbildungsvermögen, in: derselbe: Fantasie und Erkenntnis, Bern und München 1969, Seite 64  Kunz, Hans: gern Truppe logische Bedeutung der Fantasie, Basel 1946, Bd. 2, Seite 309
Simon, Josef: Wahrheit als Freiheit. Ein Versuch zu Entwicklung der Wahrheitsfrage in der neueren Philosophie, Berlin 1978
Steiger, Emil: die Zeit als ein Bildungskraft des Dichters, Zürich 1939
Bachelard, Gaston: Poetik des Raumes, München 1975 Seite 11 und Seite 28 Bonn
Scheuer, Lothar: Topik. Zur Struktur der gesellschaftlichen ein Bildungskraft. Frankfurt am Main. 1976 V geh L. Hocke, Gustav René: Manierismus in der Literatur.
[4]Dietmar Kamper, Ästhetik der Abwesenheit, Die Entfernung des Körpers, Fink Verlag, 1999

  Dietmar Kamper Unmögliche Gegenwart, zur Theorie der Phantasie, Fink Verlag, 1995

[5]Dietmar Kamper, Geschichte der Einbildungskraft, Rowohlt Enzyklopädie, 1990

[6]Wolgang Wackernagel, Subimaginale Versenkung ' Meister Eckharts Ethik der bild-ergründenden Entbildung S. 184, in Was ist ein Bild? Hg. von Gottfried Boehm.

[7]Dietmar Kamper, Geschichte der Einbildungskraft, Rowohlt Enzyklopädie, 1990, S. 86

[8]Philippe Descola, Die Formen des Sichtbaren: Eine Anthropologie der Bilder, Eine faszinierende Reise durch die Geschichte und Formen der Weltkunst, Suhrkamp Verlag, 2023

[9]Dietmar Kamper, Geschichte der Einbildungskraft, Rowohlt Enzyklopädie, 1990, S. 86

[10]Kunst/Theorie im 20.Jahrhundert, Hg. Harrison, Wood, Hatje, 1992

[11]Fabienne Liptay, Praktische Epistemologie, S. 157 in: Ästhetische Theorie, Mersch, Sasse,  Zanetti, Denkt Kunst, Diaphanes, 2019

[12]Ästhetische Theorie, Dieter Mersch, Sylvia Sasse, Sandro Zanetti, Denkt Kunst, Diaphanes, 2019

[13] https://wissenschaft-kunst.de/  Literatur zur künstlerischen Forschung gleicht einer Textflut.

Zur Einführung: Dieter Mersch, Stefan Günzel u.a.(Hrsg.) Bild, Ein interdisziplinäres Handbuch  Springer Verlag 2014

Jens Badura, u.a. Künstlerische Forschung, Ein Handbuch. Diaphanes Verlag 2015

Elke Bippus , Kunst des Forschens. Praxis eines ästhetischen Denkens. Berlin, Diaphanes Verlag. 2009

Judith, Siegmund, Wie verändert sich Kunst, wenn man sie als Forschung versteht? Transcript Verlag 2016

Martin Tröndle, Kunstforschung als ästhetische Wissenschaft: Beiträge zur transdisziplinären Hybridisierung von Wissenschaft und Kunst. Bielefeld, Transkript 2011

[14]Wulf, Christian, Zirfas Jörg, Hg. Ikonologie des Performativen. 2005

[15]Hüppauf, Bernd/Wulf, Christian 2006: Bild und Einbildungskraft. S. 9-42. München Tagung im Rahmen des Sonderforschungsbereich Kulturen des Performativen an der Freien Universität Berlin, 2005.

[16]Benjamin, Walter, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit. Suhrkamp

[17]Rudolf Steiner, Was wollte das Goetheanum und was soll die Anthroposophie? 1923-24 GA 84, Dornach, S. 83, 2. Auflage 1986

[18]Sabine Gehm, Pirkko Husemann, Katharina von Wilcke, (Hg.), Wissen in Bewegung, Perspektiven der künstlerischen und wissenschaftlichen Forschung im Tanz, TanzScripte 2007.

[19]Alloa, Emammuel Lagaay, Alice Hg, 2013, Erscheinung und Ereignis. Zur Zeitlichkeit des Bildes. München, Fink Verlag.                                                                                                                          
[20]Gottfried Böhm „Wie Bilder Sinn erzeugen“, 2007 S. 45-53

[21]Heidegger, Martin, Zur Sache des Denkens, 1962

[22] Der Begriff der Performativität trägt in sich den Begriff der Form, es entsteht eine Beziehung zum Eidos zur Idee, zu oida, („ich habe gesehen“) ein angeschautes Bild, eine Art der Evidenz, bei Husserl als Erkenntnis des Wesens gefasst. Im platonischen Sinne, das ruhende Sein der Idee, gegenüber der Materie, dieses statische ewige Sein der Idee wird aber schon durch Aristoteles Auffassung dynamischer gefasst mit Bezug zur in der Materie wirkenden Idee. Aktus lateinisch, griechisch altgriechisch  energeia, als die Realisierung der Möglichkeit, im Gegensatz zur Potenz, der noch nicht realisierten Möglichkeit. Dieser Akt oder Vollzugscharakter der Konstitution der Wirklichkeit wird im Gewand der aktuellen Diskurse immer wieder als performatives Geschehen aus den Ursprüngen der griechischen Philosophie neu interpretiert.

[23]http://www.liebieghaus.de/de/angebote/ein-abend-mit-william-kentridge

[24]William Kentdrige, Sechs Zeichenstunden, Harvad University Press, Verlag der Buchhandlung Walter König, 2016

[25]Angela Breitbach, Übertragene Körper, Wilhelm Fink, 2017

[26]Deleuze, Gilles: Die Zeitkristalle. In seinem: Das Zeitbild. Frankfurt: Suhrkamp 1989, S. 95-131.

Kristallbild, siehe https://filmlexikon.uni-kiel.de/doku.php/k:kristallbild-6672   Caroline Amann

In Deleuze‘ Auffächerung des „Zeit-Bildes“ steht das Kristallbild neben dem „Erinnerungsbild“ – das mit Rückblenden Überblendungen u.ä. arbeitet, um die Virtualität oder Irrealität des Gezeigten zu markieren – und dem „Traumbild“, das subjektiv imaginierte Szenarien zeigt. Im Kristallbild treten Aktuelles und Virtuelles nebeneinander, das Vergangene und das Imaginierte überlagert das Gegenwärtige. Insbesondere die in das Bild eingelagerten Artefakte – Film/Theater/usw. im Film, Gemälde, Fotografien, Plastiken, situative oder erinnerungsstimulierte Bedeutungen tragende Objekte u.a.m. – brechen das Bild des Seienden vor der Kamera auf, bereichern es um weitere Bedeutungen, die sich nur aus der Gegenwart nicht erklären lassen. Kristallbilder vereinen Bildelemente aller Zeitstufen; sie koexistieren und sind gegeneinander durchlässig (eine These, die Deleuze im Bild der Koaleszenz fasst, eines chemophysikalischen Zustands von Flüssigkeiten, in dem kolloidale Teilchen zusammenfließen und bis sich zur Ununterscheidbarkeit miteinander mischen). usw.


[27] Martin Heidegger, Zur Sache des Denkens. Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main, Gesamtausabe 2007, S.5

[28]Martin Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik. S. 166

[29]Martin Heidegger, Zur Sache des Denkens, Vittorio Klostermann Verlag Gesamtausgabe Band 14 (S.25-26)

[30] Grundlegend hierzu seien einige Forscher:innen genannt, welche  Bild und Performativität phänomenologische untersuchen. Fischer-Lichte, Sachs-Hombach, Burda, Maar, Belting, Wulf, Zirfas, Mitchell. Ebenso spiegeln die Bemühungen von Mersch, Wiesing, Alloa, Bredekamp, Didi-Huberman und Waldenfels Ansätze, die das Ringen um das Rätsel Bild hervorgebracht hat.

[31]Performanz  Bildlichen, Hg. Luder Schwarte.  Eikones, Fink Verlag, 2011 Siehe Alloa S.33.

[32] Ziemer, Geza, Verletzbare Orte. Berlin, Diaphanes Verlag. 2008,

[33] Emmanuel Alloa 2011, „Das Durchscheinende Bild“. Gottfried Böhm „Wie Bilder Sinn erzeugen“, 2007, Lambert Wiesing 1997, Die reine Sichtbarkeit des Bildes“ sowie „Phänomene im Bild“, 2007, Sabine Wettig 2009, “Imagination und Erkenntnis“ oder Waldenfels (2010), Sinne und Künste im Wechselspiel. Die spezifischen Untersuchungen, die Husserl zur Bildtheorie entwickelt hat, werden in seiner transzdentalen Ästhetik von Gander in Abgrenzung von Kants transzendentaler Ästhetik abgegrenzt. (Gander 2010 S.35).

[34]Lambert Wiesing, Das Bild als reine Sichtbarkeit. 2008, München Fink Verlag

[35]Klaus Sachs-Hombach, Wege zur Bildwissenschaft. 2004 Harlem Verlag

[36]Emammuel Alloa,  Bildtheorie aus Frankreich. 2011 Fink Verlag.

[37] Roland Barthes, Cy Twombly. 1983 Merve Verlag

[38]Luder Schwarte Hg. Performanz Bildlichen, Fink Verlag 2011. Siehe Dieter Mersch S.110 f.

[39]Luder Schwarte Hg. Performanz Bildlichen, Fink Verlag 2011. Siehe Sebastian Rödl S.203 f.  Er bezweifelt in seinem Essay „Die Wirklichkeit des Begriffs: Ästhetische Evidenz „Grundsätzlich anhand der Position von Kant das vorhanden sein einer Reinen Anschauung ohne Begriffe, die dunkele Seite der Wahrnehmungswelt existiert für ihn nicht.

[40]Mersch und Waldenfels nutzen dafür die Responsivität. Benjamin den Begriff der Aura sowie den Topos des Dialektischen Bildes, die Konstellation.

[41]Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie, Husserl  (1935-36) Herausgabe 1976

[42]Hans Reiner Sepp (Hg.), Husserl und die Phänomenologische Bewegung, Alber Verlag 1988 S. 77

[43]Magazin für Theologie und Ästhetik Bildlichkeit bei Emmanuel Lévinas Susanne Dungs http://www.theomag.de/25/sd1.htm Kunst entwickelt das „Gepräge eines Antlitzes", sie bringt eine tiefe Beziehung zum Anderen zustande, die mit der Gottesbegegnung vergleichbar sei. Levinas sei diesen Weg nicht zu Ende gegangen, sondern eine Ausarbeitung der ethischen Perspektiven der Kunsterfahrung steht noch aus.             

[44]Der Topos des Zeigens stützt sich meist auf die Untersuchungen von Wittgenstein. Performanz  Bildlichen, Hg. Luder Schwarte 2011. Siehe Dieter Mersch S.110 f.

[45]Böhm, Gottfried Wie Bilder Sinn erzeugen. 2007

[46]Siehe hierfür exemplarisch das Kapitel über das Ereignis und die Zeit

[47]Mersch, ....Ereignis und Aura, Exemplarisch sei auch auf Derridas Auseinandersetzung mit, „Heideggers Hand“ oder seinen Begriff der Diffèrancè hingewiesen, der auf den Vollzug des Erkenntnisaktes zurückgreift, denn französische Diskurse, ausgehend von der Problematisierung der Postmoderne, speisen viele Theorien zur Ästhetik.

[48]Böhm, Gottfried, Wie Bilder Sinn erzeugen 2007 (S.243)

[49]Julien, Francios, Das große Bild hat keine Form, Fink Verlag 2005

[50] Für den Bildbegriff ergeben sich in einer theologischen Perspektive für das Medium Bild hinsichtlich der Bild- Abbild Theorie weitreichende Fragen. Du sollst dir kein Bildnis machen bezieht sich auf den Vater Gott. Die Visualisierung wird ausgeschlossen. Der Sohnes Gott ist ein Abbild der Vatergöttlichkeit. Und der Mensch ist ein Ebenbild Gottes, ein Bild dann der gesamten Trinität. Das Urbild vermittelt so eine sinnliche Erscheinungsweise, die Sichtbarkeit selbst bleibt jedoch verborgen. Die Wirksamkeit des Urbildes ist zunächst nur indirekt als Abbild erfahrbar. So entsteht eine Verwandtschaft zu einer negativen Medientheorie.

[51] Sigrid Schade, Logik des Visuellem

[52]Hydra eines der Monstren aus der Vermählung von Tyhphon und Gaia

[53]Gottfried Böhm, Was ist ein Bild? 1994, Fink Verlag

[54]Bernhard Waldenfels, , in Böhm Was ist ein Bild? S.233

[55] Siehe dazu den Aufsatz „Bild und Reflexion“ Paradigmen und Perspektiven gegenwärtiger Ästhetik, 1997      darin besonders den Beitrag Gottfried Boehm „Die Lehre des Bilderverbotes“ S. 294 oder erweitert formuliert dann in “Wie Bilder Sinn Erzeugen“ 2007. Ikonoklasmus S.54. Im Besonderen wird in dieser Studie der Topos des Zeigens, der Deixis als ein zentrales Motiv der vertieften Zugangsweise geschildert.